Bevor der einen internationalen Erbrechtsfall bearbeitende Rechtsanwalt in die noch relativ leicht zugängliche – weil im Palandt abgedruckte – Kommentierung zu Art. 25, 26 EGBGB sieht, muss er prüfen, ob ein bilateraler (zweiseitiger) oder multilateraler (mehrseitiger) Staatsvertrag zwischen Deutschland und dem jeweiligen ausländischen Staat besteht. Gemäß Art. 3 Absatz 2 EGBGB gehen staatsvertragliche Regelungen den nationalen Rechtsvorschriften vor, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht geworden sind. Letzteres ist jedenfalls dann der Fall, wenn dieser Staatsvertrag von Deutschland ratifiziert wurde und gegebenenfalls eine ausreichende Anzahl von Ratifikationen vorliegt. Für die Bearbeitung internationaler Erbrechtsfälle sind bisher lediglich drei bilaterale Abkommen wichtig:
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Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 |
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Der deutsch-türkische Konsularvertrag vom 28.5.1992 |
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Der deutsch-sowjetische Konsularvertrag vom 25.4.1958 |
Daneben ist noch das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 (kurz: Haager Testamentsabkommen) zu erwähnen. Der wesentliche Inhalt dieses multilateralen Übereinkommens wurde in Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB ins deutsche Internationale Privatrecht umgesetzt. Umstritten ist allerdings, ob Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB anstelle des Haager Testamentsabkommens anzuwenden ist. Während die eine Meinung Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB staatsvertraglichen Charakter beimisst, womit ein Rückgriff auf das Haager Testamentsabkommen grundsätzlich überflüssig sein soll, soll nach der anderen Meinung eine Anwendung des Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB dann ausscheiden, wenn das Haager Testamentsabkommen zeitlich und sachlich gilt. Der BGH wandte in seiner jüngsten Entscheidung jedenfalls direkt das Haager Testamentsabkommen an, ohne Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB auch nur zu erwähnen. Das ist auch sachgerecht. Art 26 EGBGB übernimmt nur unvollständig die Vorschriften des Haager Testamentsabkommens, sodass es bei der Beurteilung der Rechtslage zu Divergenzen kommen kann, sollte man sich ausschließlich auf Art. 26 EGBGB verlassen wollen. So wurde beispielsweise nicht der Art. 1 Absatz 2 des Haager Testamentsabkommens übernommen, nach dem bei Nichteinheitlichkeit des anwendbaren Rechts die Teilrechtsordnung anzuwenden ist, zu der der Erblasser die engste Verbindung hat. Dies ist insbesondere dann zu beachten, wenn der Erbrechtsfall Bezüge zum US-amerikanischen Recht aufweist, bei dem in 50 Teilstaaten ebenso viele Teilrechtsordnungen anzuwenden sind. Hinzu kommt, dass das Haager Testamentsabkommen gemäß Art. 6 allseitig auch dann anzuwenden ist, wenn die Beteiligten keinem Vertragsstaat angehören und das maßgebliche Recht nicht das eines Vertragsstaates ist. Räumlich hat es somit einen ähnlich weiten Anwendungsbereich wie nationale Kollisionsnormen des EGBGB. Es wäre aus diesem Grund daher geradezu fahrlässig, ausschließlich den Art. 26 Absatz 1 bis 3 EGBGB anzuwenden. Wie der Name dieses Übereinkommens schon sagt, bestimmt es jedoch nur das auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbare Recht. Beachtlich ist es somit nur für einen mehr oder weniger kleinen Teilbereich erbrechtlicher Gestaltung.
Letztlich ist noch das Haager Erbrechtsübereinkommen vom 1.8.1989 zu erwähnen, das durch einen neuartigen Ansatz versucht, den Gegensatz zwischen common law und kontinentaleuropäischen Rechtssystemen zu überwinden. Da es jedoch von Deutschland bisher nicht ratifiziert wurde, hat es keine praktische Bedeutung auf dem Gebiet des Erbrechts.
Bilaterale beziehungsweise multilaterale Abkommen können daher in folgenden Fällen beachtlich sein:
Bei Bezügen zum: |
- russischen Recht |
- türkischen Recht |
- iranischen Recht |
Bei letztwilligen Verfügungen, soweit es deren Formwirksamkeit betrifft. |