Nach dem Tode eines Ehegatten ergibt sich eine neue Rechtslage. Seine letztwillige Verfügung entfaltet nunmehr Rechtswirkungen und kann folglich nicht mehr korrigiert und an veränderte Verhältnisse angepasst werden. Das Vertrauen, das der durch gemeinschaftliches Testament verfügende Ehegatte in den Bestand seiner letztwilligen Verfügung setzt, muss geschützt werden. Dies schließt es aus, dass der andere Ehegatte weiterhin einseitig Einfluss auf den Bestand der Verfügung des Toten nehmen kann. Wollte man den Gedanken des Vertrauensschutzes konsequent durchführen, müsste die Aufhebung der eigenen Verfügung des Überlebenden nach dem ersten Erbfall verboten werden, um die dadurch bewirkte Unwirksamkeit der Verfügung des Verstorbenen zu verhindern. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es durchaus zwingende Gründe geben kann, auch nach dem ersten Erbfall Korrekturen der Verfügung des überlebenden Ehegatten zuzulassen. Der Gesetzgeber hat deshalb zu Recht unter bestimmten Voraussetzungen die Änderung einer wechselbezüglichen Verfügung durch den überlebenden Ehegatten gestattet. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
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§ 2271 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB berechtigt den überlebenden Ehegatten, seine Verfügung aufzuheben, wenn er das ihm durch die Verfügung des anderen Ehegatten Zugewendete ausschlägt. |
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§ 2271 Abs. 2 S. 2 iVm § 2294 BGB gestattet dem Überlebenden trotz Annahme der Zuwendung die Aufhebung seiner Verfügung, wenn sich der durch sie Bedachte schwerer Verfehlungen schuldig macht. |
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§ 2271 Abs. 3 iVm § 2289 Abs. 2 und § 2338 BGB ermöglichen dem überlebenden Ehegatten, sog. Beschränkungen in guter Absicht vorzunehmen. |
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Schließlich steht dem überlebenden Ehegatten das Recht zur Anfechtung seiner letztwilligen Verfügung zu, wenn sich ein Anfechtungsgrund nach den §§ 2078, 2079 BGB ergibt. |
Die beschriebenen Tatbestände scheinen auf den ersten Blick, einfach und unproblematisch zu sein, sodass dazu nähere Ausführungen für entbehrlich gehalten werden könnten. Der Kundige weiß jedoch, dass dies leider nicht zutrifft. Beginnen wir mit der Betrachtung der Regelung des § 2271 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB, nach der der überlebende Ehegatte das Recht zur Aufhebung seiner letztwilligen Verfügung dadurch erkaufen kann, dass er das ihm durch das gemeinschaftliche Testament Zugewendete ausschlägt. Was gilt jedoch, wenn Dritten ausschließlich oder neben dem überlebenden Ehegatten etwas durch die Verfügung des Verstorbenen zugewendet worden ist? Dazu schweigt das Gesetz. Es kann deshalb nicht verwundern, dass auf diese Frage unterschiedliche Antworten gegeben werden.
3.1 Die Ausschlagung des testamentarisch Zugewendeten durch einen Dritten
Ist dem überlebenden Ehegatten von dem Verstorbenen nichts zugewendet worden, dann kann er auch nichts ausschlagen. Folglich trifft dann zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes die von ihm zugelassene Ausnahme nicht zu. Eine Reihe durchaus beachtlicher Stimmen im juristischen Schrifttum spricht sich dafür aus, dass in einem solchen Fall die Ausschlagung durch einen Verwandten oder eine den Erblassern nahe stehende Person, die auf Veranlassung des überlebenden Ehegatten vorgenommen wird, dessen Ausschlagung gleichzustellen ist. Begründet wird diese Gleichstellung mit der Erwägung, die Ausschlagung lasse die Verfügung des Erstverstorbenen gegenstandslos werden und damit entfiele auch die Grundlage, von der beide Ehegatten die Wechselbezüglichkeit abhängig gemacht hätten. Dieses Argument kann jedoch nicht überzeugen. Richtig ist, dass im Falle der Gegenstandslosigkeit der Verfügung des Erstverstorbenen die Bindung des Überlebenden an seine Verfügung entfällt, weil das dann mit der gegenstandslos gewordenen Verfügung verfolgte Ziel nicht mehr erreichbar ist und deshalb auch nicht der Bestand der anderen Verfügung gesichert werden muss. Jedoch muss keinesfalls stets die Ausschlagung dazu führen, dass die Verfügung des Erstverstorbenen gegenstandslos wird. Denn an die Stelle des Ausschlagenden kann durchaus ein Ersatzerbe treten und die Wechselbezüglichkeit deshalb weiterhin zu beachten sein. Die Auslegungsregel des § 2069 BGB, die auch zugunsten von Abkömmlingen der Kinder des Erblassers wirkt, die in einem gemeinschaftlichen Testament bedacht werden, geht von einer Ersatzerbschaft der Abkömmlinge aus. Wenn es auch der BGH in seiner neueren Rechtsprechung im Gegensatz zu der zuvor auch von ihm vertretenen hM ablehnt, die Vermutung der Wechselbezüglichkeit unter den Voraussetzungen des § 2270 Abs. 2 BGB auf diese Abkömmlinge zu erstrecken, also die Auslegungsregeln der §§ 2270 Abs. 2 und 2069 BGB miteinander zu kombinieren, ist von einer Ersatzerbschaft auszugehen, wenn ein darauf gerichteter Wille des Erblassers festzustellen ist. Die Annahme, die Ausschlagung des Dritten bewirke die Gegenstandslosigkeit der ihn begünstigenden Verfügung und damit den Wegfall der Wechselbezüglichkeit, ist zumindest in der Allgemeinheit dieser Behauptung nicht zutreffend. Dies entkräftet die These von der Gleichwertigkeit einer Ausschlagung Dritter mit der des überl...