Als Ergebnis meiner Ausführungen fasse ich zusammen:
§ 2271 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB berechtigt den überlebenden Ehegatten, seine wechselbezügliche Verfügung nach dem ersten Erbfall aufzuheben, wenn er das ihm durch die Verfügung des anderen Ehegatten Zugewendete ausschlägt. Daraus folgt, dass derjenige, dem durch das Testament nicht zugewendet worden ist, auch nichts ausschlagen und deshalb auch nicht auf diesem Wege seine Testierfreiheit wiedererlangen kann. Der Auffassung, in einem solchen Fall könne der Überlebende seine Testierfreiheit dadurch wiederherstellen, dass er den bedachten Dritten veranlasst, das ihm Zugewendete auszuschlagen, ist nicht zu folgen. Die in § 2271 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB getroffene Regelung ist in gleicher Weise wie ihre historischen Vorbilder im ALR und im Sächsischen BGB ein Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Die Widersprüchlichkeit liegt darin, dass der Überlebende, der das ihm Zugewendete annimmt und dadurch mit der Durchführung der gemeinschaftlich getroffenen Nachlassregelung beginnt, danach aber mit der Aufhebung oder Änderung seiner wechselbezüglichen Verfügung den der gemeinschaftlichen Nachlassregelung zugrunde liegenden Plan aufhebt. Da jedoch ein Dritter sich nicht in der Weise widersprüchlich verhalten kann, hat seine Ausschlagung eine völlig andere rechtliche Qualität wie die des überlebenden Ehegatten.
Wird der Überlebende in der wechselbezüglichen Verfügung neben einem Dritten bedacht, dann muss nur der überlebende Ehegatte das ihm Zugewendete ausschlagen. Die Meinung, es müsse auch der Dritte ausschlagen, berücksichtigt nicht den inhaltlichen Unterschied, der zwischen dessen Ausschlagung und der des überlebenden Ehegatten besteht.
Die durch die wechselbezüglichen Verfügungen vorgenommene Nachlassregelung hat zum Inhalt, dass der überlebende Ehegatte aus dem Nachlass des anderen nur dasjenige erhalten soll, was das Testament vorsieht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die gemeinschaftlich getroffene Nachlassregelung durchgeführt wird. Deshalb entspricht es regelmäßig nicht dem Willen des verstorbenen Ehegatten, dass der Überlebende in etwa das Gleiche aus seinem Nachlass aufgrund einer gesetzlichen Erbfolge erhält, wenn er die gemeinschaftliche Planung aufkündigt. In Fällen, in denen der überlebende Ehegatte von dem Vorverstorbenen eine testamentarische Zuwendung erhalten soll, die nach ihrem Wert in etwa dem gesetzlichen Erbteil entspricht, ist deshalb von einer Enterbung auszugehen, die aufgrund einer durch Auslegung zu gewinnenden Bedingung wirksam wird, wenn der Überlebende durch Ausschlagung des ihm Zugewendeten und einer davon abweichenden letztwilligen Verfügung die gemeinsame Nachlassregelung aufgibt.
Bleibt das testamentarisch Zugewendete erheblich hinter dem gesetzlichen Erbteil zurück, dann wird durch die letztwillige Verfügung des Verstorbenen zugleich eine teilweise Enterbung des Überlebenden ausgesprochen. Dies verdeutlicht den Willen des Verstorbenen, dass der Überlebende aufgrund der testamentarischen Regelung nicht mehr erhalten soll wie aufgrund der gesetzlichen Erbfolge. Deshalb unterscheidet sich dieser Fall nicht von einer annähernden Wertgleichheit des testamentarischen und gesetzlichen Erbes. Auch bei dieser Konstellation ist folglich von einer vollständigen Enterbung des Überlebenden auszugehen, die wirksam wird, wenn er sich nicht mehr an die im gemeinschaftlichen Testament getroffene Nachlassregelung hält. Übersteigt dagegen das testamentarisch Zugewendete erheblich den gesetzlichen Erbteil, dann indiziert diese Nachlassregelung nicht ohne weiteres den Willen des Verstorbenen, seinen Ehegatten zu enterben, wenn er seine Verfügung aufhebt. Es muss dann aufgrund aller Umstände des Einzelfalles versucht werden festzustellen, von welchem Willen des Verstorbenen dann auszugehen ist.
Weitere rechtliche Möglichkeiten, die für den überlebenden Ehegatten bestehen, nach dem ersten Erbfall seine Testierfreiheit wiederzuerlangen, stimmen mit entsprechenden Regelungen überein, wie sie für vertragsmäßige Verfügungen in einem Erbvertrag gelten. So gestattet § 2271 Abs. 2 S. 2 iVm § 2294 BGB dem Überlebenden trotz Annahme der Zuwendung die Aufhebung seiner Verfügung, wenn sich der durch sie Bedachte schwerer Verfehlungen schuldig macht. § 2271 Abs. 3 iVm § 2289 Abs. 2 und § 2338 BGB ermöglicht dem überlebenden Ehegatten, sog. Beschränkungen in guter Absicht vorzunehmen. Der Überlebende kann seine Verfügungen und ggf. auch die seines verstorbenen Ehegatten anfechten, wenn ein Anfechtungsgrund nach den §§ 2078, 2079 BGB besteht. Schließlich bleibt noch das Recht zur Aufhebung, wenn sich aus dem Testament ein Änderungsvorbehalt für den Überlebenden ergibt.