Bei den folgenden Ausführungen handelt es sich um einen durch Fußnoten ergänzten Vortrag, den ich bei der Tagung der Forschungsstelle für Notarrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München am 19. Februar 2008 gehalten habe. Die Vortragsform ist weitgehend beibehalten worden.
Einführung
Bekanntlich erfreut sich das gemeinschaftliche Testament als Mittel der Nachlassregelung nach wie vor großer Beliebtheit, obwohl vor allem steuerliche Nachteile dagegen sprechen. Für Eheleute – insbesondere wenn sie Kinder haben – entspricht diese Form der Nachlassregelung wohl am besten ihren Vorstellungen über eine angemessene Vermögensnachfolge, sodass sie die sich daraus ergebenden Nachteile – wenn sie sie überhaupt kennen – unbeachtet lassen. Diese Nachteile werden nicht allein durch das Steuerrecht geschaffen, sondern können sich im Einzelfall durchaus auch aus der erbrechtlichen Regelung des BGB ergeben.
1. Einleitung
Der von den Eheleuten gefasste und ausgeführte Plan einer gemeinschaftlichen Nachlassregelung durch wechselbezügliche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament bedingt naturgemäß, dass eine einseitige Korrektur dieses Plans Konsequenzen für seinen Bestand haben muss. Denn das Wesen der Wechselbezüglichkeit besteht ja gerade in einer engen Verbundenheit der verschiedenen Verfügungen zueinander. Die eine soll mit der anderen stehen und fallen. Deshalb muss die Unwirksamkeit einer Verfügung auch die Unwirksamkeit der mit ihr verbundenen bewirken. § 2270 Abs. 1 BGB trifft eine entsprechende Anordnung.
2. Die Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen vor dem ersten Erbfall
Dieser Gedanke der Abhängigkeit verlangt zwar nicht, dass die Testierenden wie bei einem Erbvertrag an ihre in Wechselbezüglichkeit stehenden Verfügungen gebunden werden. Vielmehr genügt es sicherzustellen, dass jeder Ehegatte von der Aufhebung einer Verfügung des anderen und von der dadurch bewirkten Nichtigkeit der mit ihr verbundenen eigenen Verfügung Kenntnis erlangt, um darauf reagieren zu können. Dies geschieht dadurch, dass der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung gemäß § 2271 Abs. 1 BGB in der Form des Rücktritts von einem Erbvertrag vorzunehmen ist. Danach hat die gemäß § 2296 Abs. 2 BGB in notarieller Form zu beurkundende Widerrufserklärung dem anderen Ehegatten zuzugehen. Dadurch wird erreicht, dass der betroffene Ehegatte von der Nichtigkeit seiner Verfügung erfährt.
Wünscht ein durch wechselbezügliche Verfügungen gebundener Ehegatte vor dem ersten Erbfall eine neue abweichende letztwillige Verfügung zu treffen, dann eröffnet ihm also das Gesetz einen Weg, um seinen Wunsch realisieren zu können. Allerdings setzt ein solches Vorgehen die Kenntnis der gesetzlichen Regelung voraus, von der wohl im Regelfall nur bei einem öffentlichen Testament aufgrund entsprechender Belehrungen durch den Notar ausgegangen werden kann.
3. Die Aufhebung wechselbezüglicher Verfügungen nach dem ersten Erbfall
Nach dem Tode eines Ehegatten ergibt sich eine neue Rechtslage. Seine letztwillige Verfügung entfaltet nunmehr Rechtswirkungen und kann folglich nicht mehr korrigiert und an veränderte Verhältnisse angepasst werden. Das Vertrauen, das der durch gemeinschaftliches Testament verfügende Ehegatte in den Bestand seiner letztwilligen Verfügung setzt, muss geschützt werden. Dies schließt es aus, dass der andere Ehegatte weiterhin einseitig Einfluss auf den Bestand der Verfügung des Toten nehmen kann. Wollte man den Gedanken des Vertrauensschutzes konsequent durchführen, müsste die Aufhebung der eigenen Verfügung des Überlebenden nach dem ersten Erbfall verboten werden, um die dadurch bewirkte Unwirksamkeit der Verfügung des Verstorbenen zu verhindern. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass es durchaus zwingende Gründe geben kann, auch nach dem ersten Erbfall Korrekturen der Verfügung des überlebenden Ehegatten zuzulassen. Der Gesetzgeber hat deshalb zu Recht unter bestimmten Voraussetzungen die Änderung einer wechselbezüglichen Verfügung durch den überlebenden Ehegatten gestattet. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fälle:
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§ 2271 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB berechtigt den überlebenden Ehegatten, seine Verfügung aufzuheben, wenn er das ihm durch die Verfügung des anderen Ehegatten Zugewendete ausschlägt. |
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§ 2271 Abs. 2 S. 2 iVm § 2294 BGB gestattet dem Überlebenden trotz Annahme der Zuwendung die Aufhebung seiner Verfügung, wenn sich der durch sie Bedachte schwerer Verfehlungen schuldig macht. |
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§ 2271 Abs. 3 iVm § 2289 Abs. 2 und § 2338 BGB ermöglichen dem überlebenden Ehegatten, sog. Beschränkungen in guter Absicht vorzunehmen. |
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Schließlich steht dem überlebenden Ehegatten das Recht zur Anfechtung seiner letztwilligen Verfügung zu, wenn sich ein Anfechtungsgrund nach den §§ 2078, 2079 BGB ergibt. |
Die beschriebenen Tatbestände scheinen auf den ersten Blick, einfach und unproblematisch z...