Einführung
Der Erbschaftsbesitzer haftet dem Erben gegenüber nach § 2023 BGB ab Rechtshängigkeit des Erbschaftsanspruchs nach den §§ 987 ff BGB. Ab diesem Zeitpunkt ist sein Verwendungsersatzanspruch nach den §§ 2023 Abs. 2, 994 Abs. 2 BGB eingeschränkt.
I. Einleitung
Es fragt sich, ob der Erbschaftsbesitzer auch dann verschärft haftet, wenn er Beteiligter im Erbscheinerteilungsverfahren nach den §§ 2353 ff BGB ist. Diese Fälle dürften keineswegs selten sein, denn derjenige, der sich als Erbe geriert und in Besitz von Nachlassgegenständen ist, wird häufig zur Legitimation seines – vermeintlichen – Erbrechts einen eigenen Erbscheinsantrag stellen, der naturgemäß in Widerspruch zum Erbscheinsantrag des wirklichen Erben steht. Oder der Erbschaftsbesitzer ist als materiell Betroffener am Erbscheinsverfahren nach § 2360 BGB beteiligt. In beiden Fällen erlangt der Erbschaftsbesitzer jedenfalls Kenntnis davon, dass sich auch ein anderer eines Erbrechts rühmt, der später möglicherweise den Nachlass von ihm herausverlangt. Ob der Erbschaftsbesitzer aufgrund dessen damit rechnen muss, die Nachlassgegenstände herausgeben zu müssen, und ob er daher einer ebenso erhöhten Sorgfaltspflicht wie der nach § 2023 BGB verklagte Erbschaftsbesitzer unterliegt, hängt davon ab, ob diese Norm auf das schwebende Verfahren nach den §§ 2353 ff BGB – direkt oder analog – anwendbar ist.
II. Unmittelbare Anwendung des § 2023 BGB
Der Wortlaut des § 2023 Abs. 1 BGB lässt zunächst offen, welcher Anspruch für die verschärfte Haftung des Erbschaftsbesitzers rechtshängig sein muss. Aus der systematischen Stellung dieser Vorschrift im 3. Titel, 2. Abschnitt des 5. Buches des BGB sowie aus dem Wortlaut ("zur Erbschaft gehörende Sachen") ergibt sich aber, dass nur der Erbschaftsanspruch iSd § 2018 BGB gemeint sein kann. Mit dem Erbschaftsanspruch verfolgt der Erbe seinen Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer; demnach ist für die unmittelbare Anwendung des § 2023 BGB die Rechtshängigkeit dieses Herausgabeanspruchs erforderlich.
Gegenstand des Erbscheinerteilungsverfahrens nach den §§ 2353 ff BGB, §§ 72 ff FGG ist jedoch das materiellrechtliche Erbrecht des Antragstellers. In diesem Verfahren prüft das Nachlassgericht, ob der von ihm zu erteilende Erbschein genau der materiellrechtlichen Erbfolge entspricht, ob also der Antrag und die festgestellte Erbrechtslage – ggf. auch hinsichtlich des quotenmäßigen Umfangs und des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins der im Erbschein zu berücksichtigenden Beschränkungen – "deckungsgleich" sind.
Die Entscheidung im Erbscheinerteilungsverfahren hat daher zum einen feststellenden Charakter, zum anderen ist sie der materiellen Rechtskraft nicht fähig, weil sie keine rechtsgestaltende Wirkung hat und an der Erbfolge materiell nichts ändert. Das gerichtliche Erkenntnisverfahren über den Erbschaftsanspruch endet hingegen regelmäßig mit einem Leistungsurteil, das jedenfalls hinsichtlich des zugrunde liegenden materiellen Herausgabeanspruchs auch in materielle Rechtskraft erwächst. Letztlich bezieht sich das Erbscheinerteilungsverfahren auch nicht auf konkrete Nachlassgegenstände oder auf eine Gesamtheit von Nachlassgegenständen, was allerdings für die Herausgabeklage des Erben gegen den Erbschaftsbesitzer wesensimmanent ist, ja sogar für die Bestimmung des Umfangs der materiellen Rechtskraft Zulässigkeitsvoraussetzung ist. Allein dies spricht schon entscheidend gegen die unmittelbare Anwendung des § 2023 BGB auf das Erbscheinerteilungsverfahren.
Hinzu kommt, dass die Terminologie der "Rechtshängigkeit" nicht auf das Erbscheinerteilungsverfahren übertragen werden kann. Die Rechtshängigkeit des Erbschaftsanspruchs iSd § 2023 BGB tritt mit Zustellung der Klageschrift nach §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO ein. Formell bedeutet dies die förmliche Zustellung der Klageschrift an die beklagte Prozesspartei im Weg der §§ 166 ff ZPO, was prozessuale (z. B. §§ 261 Abs. 3, 263, 265, 266 ZPO) und über § 262 ZPO auch materiell-rechtliche Konsequenzen nach sich zieht.
Ein durch diese Wirkungen gekennzeichnetes Prozessrechtsverhältnis tritt hingegen zwischen den am Erbscheinerteilungsverfahren formell und materiell Beteiligten nicht ein. Als Beteiligte kommen der oder die Erbscheinsantragsteller sowie die Betroffenen nach § 2360 Abs. 1 und 2 BGB in Betracht. Letztere sind im Erteilungsverfahren zu hören, was sich vorrangig aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt, der § 2360 BGB überlagert. Hiernach ergibt sich, dass die Anhörung der nach § 2360 BGB materiell Beteiligten allein der Gewährung rechtlichen Gehörs und, sofern man § 2360 BGB noch einen Rest an eigenständiger Bedeutung zumisst, der Amtsermittlung geschuldet ist. Prozessuale Wirkungen entfaltet jedoch die Übersendung bzw. Zustellung des Antragsschriftsatzes an die nach § 2360 BGB Betroffenen, verbunden mit der an sie gerichteten Einräumung der Möglichkeit rechtlichen Gehörs, nicht. Insbesondere sind die materiell Betroffenen – bezogen auf die Rechtshängigkeitssperre des § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO – nicht gehindert, einen eigenen E...