Mehr als 20 Millionen Haushalte in Deutschland hatten im Jahr 2007 rund 77,6 Millionen klassische und fondsgebundene Kapitallebens- sowie private Rentenversicherungsverträge über eine Versicherungssumme von 1,65 Billionen EUR abgeschlossen. Dieses gewaltige Kapital, das die Bürger zur privaten Vorsorge ansparen, dokumentiert ihr Misstrauen gegen die staatliche Sozialversicherung, aber zugleich vor allem auch das Vertrauen in die Leistungskraft und Verlässlichkeit einer privaten Vorsorge über die Lebensversicherung. Hierzu gehört auch die langjährige deutliche Tendenz zum Abschluss privater Rentenversicherungsverträge. Denn der Sozialstaat befindet sich in der Krise und kann sein Versprechen, die Altersversorgung der in der staatlichen Sozialversicherung Versicherten sowie die wirtschaftliche Absicherung von Hinterbliebenen zu gewährleisten, nicht mehr erfüllen. Dies zeigt, dass private Lebensversicherungen für die meisten Menschen unverzichtbar sind für die eigene Vorsorge und die finanzielle Absicherung von Angehörigen. Lebensversicherungen haben daher eine zentrale einzel- und volkswirtschaftliche Bedeutung.
Am meisten verbreitet ist immer noch die klassische Kapitallebensversicherung (Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall), bei der die Versicherungssumme ausgezahlt wird, wenn die versicherte Person den Ablauf der vereinbarten Versicherungsdauer erlebt (Leistung im Erlebensfall, z. B. bei Erreichen des 60., 65. oder 67. Lebensjahres), oder – wenn die versicherte Person vorher verstirbt – als Todesfall-Leistung regelmäßig an eine begünstigte dritte Person (abgekürzte Versicherung). Die Kapitallebensversicherung verbindet auf diese Weise die Absicherung des Todesfallrisikos mit einem Sparvorgang für den Ablauf des Versicherungsvertrags (gemischte Versicherung). Zwar mag das Produkt "Lebensversicherung" nach der VVG-Reform 2008 ein anderes sein als vorher; unverändert aber ist der doppelte Zweck der Kapitallebensversicherung, nicht nur eine eigene Altersversorgung für den Versicherten aufzubauen, sondern auch Hinterbliebene oder sonstige Dritte im Falle dessen vorzeitigen Todes abzusichern.
Dieser Zweck der Lebensversicherung, Vermögenswerte zu übertragen und damit gerade auch solchen Dritten eine Absicherung zukommen zu lassen, die nicht zu den Hinterbliebenen im strengen Sinne oder zu den Erben gehören, wird durch die Entscheidung des BGH vom 21.5.2008 jedoch neuerlich infrage gestellt. Denn die Erben des Versicherungsnehmers (VN) könnten demnach zwar nicht die Entstehung des Bezugsrechts auf die Versicherungsleistung bei dem Dritten verhindern, wohl aber – wenn sie nur schnell genug handelten – vereiteln, dass dieser das Bezugsrecht oder die ausgezahlte Versicherungssumme ihnen gegenüber behalten dürfe; vielmehr sei ein besonderer rechtlicher Grund im Verhältnis zu dem VN oder den ihm nachfolgenden Erben erforderlich, namentlich eine Schenkung. Dieses Urteil hat über das Fachpublikum hinaus auch in den Medien erstaunliche Aufmerksamkeit gefunden.
Im folgenden Beitrag soll daher ein weiteres Mal eine Dogmatik der echten Verträge zugunsten Dritter – insbesondere der Lebensversicherung – auf den Todesfall des Versprechensempfängers entwickelt werden. Zu zeigen ist, dass und warum die Entscheidung des BGH falsch ist und wie derartige Fälle juristisch korrekt auf der Grundlage altbekannter Rechtsfiguren zu lösen sind.