Leitsatz
Die Wechselbezüglichkeit einer Schlusserbeneinsetzung bezieht sich nicht per se auf den Ersatzerben. Ob die Ersatzberufung wechselbezüglich ist, ist nach den allgemeinen Grundsätzen gesondert festzustellen. Dabei ist für die Anwendung des § 2270 Abs. 2 BGB kein Raum, wenn die Ersatzberufung auf der Anwendung des § 2069 BGB beruht (im Anschluss an BGHZ 149, 363).
OLG München, Beschluss vom 20. April 2010 – 13 Wx 83/09
Sachverhalt
Die Erblasserin ist am xxx 2008 verstorben. Ihr Ehemann ist am xxx 1998 vorverstorben. Aus der Ehe waren als Kinder die Beteiligten zu 1–8 sowie der im Alter von 17 oder 18 Jahren kinderlos vorverstorbene M.K. und der am 16.5.2007 vorverstorbene K.K, dessen Tochter die Beteiligte zu 9 ist, hervorgegangen.
Die Eheleute hatten am 27.10.1964 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag errichtet.
Darin setzten sie sich unter Ziffer III. "gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben ein mit der Maßgabe, dass der überlebende Eheteil (...) an vorhandene pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge des verstorbenen Eheteils nach gleichen Stammteilen 3/8 des reinen Nachlasses als bares Vermächtnis auszuzeigen hat (...)".
Es liegen handschriftliche Testamente der Erblasserin und ihres Ehemanns vom 18.8.1997vor, die gemeinsam mit einem versie- gelten und mit "Testament von R. und M.K. (Anschrift)" beschriebenen Umschlag zur Verwahrung gegeben worden waren. Das Testament der Erblasserin M.K. lautet im Wortlaut:
Zitat
"(Ort) den 18. August 1997 "
Testament
Mein letzter Wille
Mit diesem Testament setze ich meinen Ehemann R.K. geb.am (...) als Alleinerben über das gemeinschaftliche erworbene Wohnhaus mit Grundstück und Inventar ein. Nach Ableben des oder der Letztvorverstorbenen, soll unser Sohn K.K. geb. am (...) als Alleinerbe erhalten.
Wohnhaus und Grundstück befinden sich in(Ort)
(Unterschrift)
(Ort) den 18. August1997“
Bis auf den Eingangssatz ("Mit diesem Testament setze ich meine Ehefrau M.K. […] als Alleinerbin […]") ist das Testament des Ehemanns dem der Erblasserin im Wortlaut gleich. Weiterhin liegt ein notarielles Testament der Erblasserin vom 24.11.2000 vor, in dem sie K.K. zum Alleinerben einsetzte sowie Testamentsvollstreckung und Vermächtnisse anordnete.Mit notariellem Testament vom 15.4.2004 bestätigte die Erblasserin K.K. als alleinigen Vorerben und setzte zudem ihre übrigen Abkömmlinge (die Beteiligten1–8) zu gleichen Teilen als Nach- und Ersatzerben ein. Des Weiteren ordnete sie Testamentsvollstreckung an.
Mit notariellem Testament vom 19.12.2006 wurde von der Erblasserin unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der Ersatzerbeneinsetzung der Beteiligten zu 1–8 ergänzend u. a. eine Ersatznacherbenregelung getroffen und Vermächtnisse angeordnet. Die Anordnung der Testamentsvollstreckung wurde inhaltlich neu gefasst.
Am 11.12.2008 beantragte die Beteiligte zu 9 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin nach der verstorbenen Erblasserin ausweist. Am 15.12.2008 beantragten die Beteiligten zu 1–8 ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Miterben zu je 1/8 nach der Verstorbenen ausweist.
Mit Beschluss vom 12.1.2009 erließ das Nachlassgericht einen Vorbescheid, in dem es angekündigte, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 9 als Alleinerbin der Erblasserin ausweist. Die übrigen Erbscheinsanträge wies das Amtsgericht zurück. Mit Schreiben vom 27.1.2009 nahmen die Beteiligten zu 1–8 ihre Erbscheinsanträge zurück. Die von der Beteiligten zu 8 gegen die Entscheidung des Amtsgerichts eingelegte Beschwerde wies das Landgericht zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 8.
Aus den Gründen
(...)
a) Rechtsfehlerfrei ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den getrennt verfassten handschriftlichen Testamenten der Eheleute vom 18.8.1997 um ein gemäß den §§ 2265, 2267, 2247 BGB formgültig errichtetes gemeinschaftliches Testament im Sinne der §§ 2265, 2247 BGB handelt. Zutreffend hat das Landgericht weiter angenommen, dass die Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments auch in getrennten Urkunden erfolgen kann (allgemeine Meinung; vgl. Palandt/Edenhofer BGB 69. Aufl. vor § 2265 Rn 8). Es hat dabei auch beachtet, dass hierfür Voraussetzung ist, dass sich der Wille der Eheleute zum gemeinschaftlichen Testieren aus den beiden Urkunden zumindest ansatzweise ergeben muss. Ohne Rechtsfehler konnte das Landgericht in Gesamtwürdigung der von ihm festgestellten Indizien zu einem solchen gemeinsamen Errichtungswillen der beiden Eheleute gelangen.
b) Es ist in rechtlicher Hinsicht auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht im Wege der Auslegung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die jeweilige Einsetzung des K.K. als Alleinerbe durch die Erblasser wechselbezüglich war. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Anordnung der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen gemäß § 2270 Abs. 1 BGB auch im Wege der individuellen Auslegung ermittelt werden kann.
aa) Maßgebend hierfür ist, ob im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ein übereinstimmender Wille beider Ehegatten vorgelegen hat...