Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die nur gegen den Beklagten gerichtete Klage ist zulässig, es bedurfte nicht der Klage gegen alle Mitglieder der Erbengemeinschaft. Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks kann gegen einen einzelnen Miterben gerichtet werden, sofern die übrigen leistungsbereit sind (und OLG Naumburg, Urteil vom 16. 1.1997, NJW-RR 1998, 308 f).

Der weitere Bruder der Parteien ist mit der Auflassung des streitgegenständlichen Grundstücks auf die Klägerin einverstanden. (...)

2. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Auflassung des Grundstücks und Umschreibung im Grundbuch aus Vermächtnis, §§ 2150,2174 BGB. Der Erblasser hat zugunsten der Klägerin ein Vermächtnis angeordnet. Dies folgt aus der Auslegung seiner Verfügung, das Haus X. gehe an die Klägerin und dürfe nicht verkauft werden, im Verkaufsfalle in Erbmasse.

Bei der Auslegung, ob eine Teilungsanordnung oder ein Vermächtnis gewollt gewesen ist, sind für die Abgrenzung wesentlich der Begünstigungswille und der Vermögensvorteil, also die vom Erblasser gewollte wertmäßige Verteilung des Nachlasses: Wollte der Erblasser einem Miterben einen Mehrwert zusätzlich zu seinem Erbteil zuwenden, so liegt ein (Voraus-)Vermächtnis vor. Sollte nach dem Willen des Erblassers eine solche Wertverschiebung ausgeschlossen sein, indem der betreffende Miterbe einen entsprechenden Ausgleich aus einem eigenen Vermögen zahlen muss, handelt es sich um eine Teilungsanordnung. Hierbei braucht ein Ausgleich sich nicht ausdrücklich oder konkludent vom Erblasser bestimmt worden zu sein. Vielmehr spricht das Schweigen des Testaments immer für einen Wertausgleich. Ist Erblasserwillen nicht zu ermitteln, muss seiner Regelung der Sinn zugrunde gelegt werden, der seinem mutmaßlichen Willen am ehesten entspricht. Ein dem Erblasser bekannter objektiver Vermögensvorteil wird dabei Indiz für einen Begünstigungswillen sein (Palandt/Edenhofer, BGB – Kommentar, 68. Aufl., § 2058 Rn 5 f).

Der von dem Erblasser mit der Zusatzklausel verfolgte Zweck kann nicht unmittelbar ermittelt werden. Er hat sich zu dieser Klausel nicht zu Lebzeiten erklärt.

Daher ist sein mutmaßlicher Wille zu ermitteln.

Der Erblasser war Kaufmann. Er wusste dass er der Klägerin (im Nichtverkaufsfall) ein bestimmtes Vermögensobjekt und damit einen gesonderten Vorteil zuwendete, da er für die Verteilung seines übrigen Vermögens keine Anordnung traf. Allein für den Fall des Verkaufs des streitgegenständlichen Grundstücks sollte dessen Wert/Erlös in die Erbmasse fallen und somit den Miterben zugute kommen. Auf diese Weise schloss der Erblasser eine Ausgleichspflicht der Klägerin für den Nichtverkaufsfall aus. Bei der Nichtveräußerung des Grundstücks sollte insoweit keine wertmäßige Verteilung auf alle Miterben erfolgen.

Des Weiteren fügt sich die Zusatzklausel zeitlich in die unstreitige Anmietung weiterer Räume in dem Objekt X. durch die Klägerin. Die klägerischen Behauptung, der Erblasser habe aus diesem Grunde mit der Zusatzklausel sicherstellen wollen, dass sie auf jeden Fall das Haus bekomme, ist schlüssig und nachvollziehbar.

Schließlich sind die weiteren letztwilligen Verfügungen des Erblassers zu berücksichtigen: Seine Ehefrau sollte – so die ausdrückliche Anordnung – unbeschränkte Vorerbin sein. Sie hätte also gemäß den §§ 2136, 2113 Abs. 1 BGB unentgeltlich über das streitgegenständliche Grundstück verfügen können – es somit letztlich der Klägerin entziehen können. Denn eine nur auf dieses Grundstück bezogene beschränkte Vorerbenstellung folgt auch nicht aus der Zusatzklausel "darf nicht verkauft werden", da sie sonst dem weiteren Passus "im Verkaufsfall in Erbmasse" widerspräche. Der Erblasser wollte nicht seine Ehefrau in der Verfügungsmacht hinsichtlich dieses Grundstücks beschränken, sondern vielmehr dieses Grundstück von vornherein der Anordnung der Vor- und Nacherbschaft entziehen. (...)

Eingesendet von Dr. Michael Müller-Goebel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht, Kassel

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