Der Stundungsantrag vor dem Nachlassgericht kommt nur dann in Betracht, wenn dieser sowohl dem Grund als auch der Höhe nach unstreitig ist.
1. Zuständigkeit
Liegt einer dieser vermutlich seltenen Fälle vor, ist für die Entscheidung das Nachlassgericht (§ 2331 a Abs. 2 S. 1 BGB) am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig (§ 343 Abs. 1 FamFG). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 2 c), 16 RpflG iVm § 342 Abs. 1 Nr. 9 FamFG).
2. Zulässigkeit
Ein Stundungsantrag vor dem Nachlassgericht kommt nur dann in Betracht, wenn der Pflichtteil noch nicht auf dem Zivilrechtsweg eingeklagt wurde. Ist der Pflichtteil im Wege der Stufen- bzw. Zahlungsklage vor dem Prozessgericht geltend gemacht, ist der Antrag vor dem Nachlassgericht gemäß § 2331 Abs. 2 S. 2 BGB iVm § 1382 Abs. 5 BGB unzulässig. Klagt der Pflichtteilsberechtigte während eines laufenden Stundungsverfahrens vor dem Nachlassgericht seinen Pflichtteil ein, wird der Antrag an das Nachlassgericht sogar nachträglich unzulässig.
Ebenso unzulässig ist der Antrag vor dem Nachlassgericht, wenn der Pflichtteilsanspruch entweder dem Grunde oder der Höhe nach streitig ist. Ein Antrag auf Stundung des Pflichtteils an das Nachlassgericht kann daher vernünftigerweise nur dann gestellt werden, wenn vorab eine schriftlich fixierte Einigung über die Höhe des Pflichtteils erzielt wurde bzw. der von dem Pflichtteilsberechtigten bezifferte Pflichtteil anerkannt wird.
3. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte bedeuten würde (a), und zwar auch unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten (b).
a) Unbillige Härte
Eine unbillige Härte liegt nach § 2331 a BGB insbesondere dann vor, wenn die Auszahlung des Pflichtteils den Erben zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Der Antrag ist nur begründet, wenn der Erbe tatsächlich gezwungen ist, Nachlassgegenstände zu veräußern, auf die er angewiesen ist. Ist es dem Erben möglich, den Pflichtteil zu begleichen, indem er ein Darlehen aufnimmt, so ist der Stundungsantrag zurückzuweisen. Das gilt erst recht, wenn der Erbe den Pflichtteil aus seinem Eigenvermögen begleichen kann. Ebenso wenig stellt es eine unbillige Härte im Sinne des § 2331 a BGB dar, wenn die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Pflichtteils wirtschaftlich ungünstig ist. Ob eine unbillige Härte im Sinne des § 2331 a BGB vorliegen kann, wenn der Erbe Familienerbstücke oder Kunstgegenstände veräußern muss, um den Pflichtteil zu begleichen, ist umstritten. Da die Regelung offenbar in erster Linie auf existenzbedrohende Situationen für den Erben zielt, reicht eine emotionale oder geistige Bindung an zu veräußernde Nachlassgegenstände für eine Stundung mE nicht aus.
b) Angemessene Berücksichtigung der Interessen der Pflichtteilsberechtigten
Liegt eine unbillige Härte für den Erben im oben beschriebene Sinne tatsächlich vor, so wird eine Zurückweisung des Stundungsantrags insgesamt kaum je in Betracht kommen. Die Interessen des Pflichtteilsberechtigten können aber auf andere Weise berücksichtigt werden. So besteht gemäß § 2331 a Abs. 2 S. 2 iVm § 1382 Abs. 3 BGB die Möglichkeit, den Pflichtteil nur gegen Sicherheitsleistung zu stunden, bspw. gegen eine grundbuchliche Sicherung des Pflichtteilsanspruchs. Hierzu ist allerdings ein entsprechender Antrag des Pflichtteilsberechtigten erforderlich. Ist der Pflichtteilsberechtigte auf das Geld zum eigenen Unterhalt oder zum Unterhalt minderjähriger Kinder angewiesen, so kann das Gericht der Stundung auch nur teilweise stattgeben, indem es dem Erben eine ratenweise Auszahlung des Pflichtteils aufgibt. Nicht zu berücksichtigen ist, dass der Pflichtteilsberechtigte über seine Enterbung enttäuscht ist.
4. Rechtsfolgen
Die Stundung schiebt die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs hinaus. Dennoch verzinst sich der Anspruch. Über die Höhe und Fälligkeit der Zinsen entscheidet das Gericht gemäß § 2331 a Abs. 2 S. 2 iVm 1382 Abs. 4 BGB nach billigem Ermessen. Es ist dabei nicht an den gesetzlichen Zinssatz gebunden. Es kann sich stattdessen auch an den marktüblichen Zinsen orientieren. Eine Abänderung der Stundungsentscheidung kann gemäß § 2331 a Abs. 2 S. 2 iVm § 1382 Abs. 6 BGB verlangt werden, wenn sich die zugrunde liegenden Verhältnisse nach der Entscheidung wesentlich geändert haben.
5. Muster
An das Amtsgericht (letzter Wohnort Erblasser)
– Nachlassgericht –
Antrag auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs
des … – Antragsteller –
Verfahrensbevollmächtigte:
gegen
… – Antragsgegner –
Voraussichtliche Verfahrensbevollmächtigte:
Streitwert: … ...