Einführung
Die Möglichkeit, die Auszahlung des Pflichtteils nach § 2331 a BGB stunden zu lassen, hat bisher in der Praxis keine erhebliche Rolle gespielt. Dies lag zum einen darin begründet, dass die Stundungsmöglichkeit vor der Erbrechtsreform ausschließlich pflichtteilsberechtigten Erben zur Verfügung stand, zum anderen darin, dass eine Stundung des Pflichtteils nur dann in Betracht kam, wenn die sofortige Auszahlung für den Erben eine "ungewöhnliche Härte" bedeutete.
I. Erweiterung der Stundungsmöglichkeiten durch die Erbrechtsreform
Nach der Erbrechtsreform dürfte von der Stundungsmöglichkeit des § 2331 a BGB häufiger Gebrauch gemacht werden. Die wesentliche Änderung, die § 2331 a BGB mit der Erbrechtsreform erfahren hat, besteht darin, dass nicht mehr nur selbst pflichtteilsberechtigte Erben die Stundung des Pflichtteils verlangen können, sondern jeder beliebige Erbe. Im Übrigen hat der Gesetzgeber den Wortlaut der Vorschrift leicht abgeändert, um die Stundung des Pflichtteils "maßvoll zu erleichtern". Statt einer "ungewöhnlichen Härte" genügt auf Seiten des Erben eine "unbillige Härte". Für den Pflichtteilsberechtigten muss die Stundung nicht mehr zumutbar sein, seine Interessen sind nunmehr nur noch "angemessen zu berücksichtigen". Die praktische Relevanz dieser Änderungen wird bezweifelt. Den Gerichten dürften sie es aber immerhin "maßvoll erleichtern", die Stundung eines Pflichtteils zu begründen.
Dieser Beitrag konzentriert sich darauf, dem Praktiker das nötige Rüstzeug an die Hand zu geben, um von den erweiterten Möglichkeiten des § 2331 a BGB Gebrauch zu machen.
Der nicht verklagte Erbe kann das Stundungsverlangen vor dem Nachlassgericht stellen (III.), der verklagte Erbe kann von der Stundungsmöglichkeit im Zivilverfahren Gebrauch machen (IV.)
II. Stundungsantrag vor dem Nachlassgericht
Der Stundungsantrag vor dem Nachlassgericht kommt nur dann in Betracht, wenn dieser sowohl dem Grund als auch der Höhe nach unstreitig ist.
1. Zuständigkeit
Liegt einer dieser vermutlich seltenen Fälle vor, ist für die Entscheidung das Nachlassgericht (§ 2331 a Abs. 2 S. 1 BGB) am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig (§ 343 Abs. 1 FamFG). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger (§§ 3 Nr. 2 c), 16 RpflG iVm § 342 Abs. 1 Nr. 9 FamFG).
2. Zulässigkeit
Ein Stundungsantrag vor dem Nachlassgericht kommt nur dann in Betracht, wenn der Pflichtteil noch nicht auf dem Zivilrechtsweg eingeklagt wurde. Ist der Pflichtteil im Wege der Stufen- bzw. Zahlungsklage vor dem Prozessgericht geltend gemacht, ist der Antrag vor dem Nachlassgericht gemäß § 2331 Abs. 2 S. 2 BGB iVm § 1382 Abs. 5 BGB unzulässig. Klagt der Pflichtteilsberechtigte während eines laufenden Stundungsverfahrens vor dem Nachlassgericht seinen Pflichtteil ein, wird der Antrag an das Nachlassgericht sogar nachträglich unzulässig.
Ebenso unzulässig ist der Antrag vor dem Nachlassgericht, wenn der Pflichtteilsanspruch entweder dem Grunde oder der Höhe nach streitig ist. Ein Antrag auf Stundung des Pflichtteils an das Nachlassgericht kann daher vernünftigerweise nur dann gestellt werden, wenn vorab eine schriftlich fixierte Einigung über die Höhe des Pflichtteils erzielt wurde bzw. der von dem Pflichtteilsberechtigten bezifferte Pflichtteil anerkannt wird.
3. Begründetheit
Der Antrag ist begründet, wenn die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs für den Erben eine unbillige Härte bedeuten würde (a), und zwar auch unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Pflichtteilsberechtigten (b).
a) Unbillige Härte
Eine unbillige Härte liegt nach § 2331 a BGB insbesondere dann vor, wenn die Auszahlung des Pflichtteils den Erben zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Der Antrag ist nur begründet, wenn der Erbe tatsächlich gezwungen ist, Nachlassgegenstände zu veräußern, auf die er angewiesen ist. Ist es dem Erben möglich, den Pflichtteil zu begleichen, indem er ein Darlehen aufnimmt, so ist der Stundungsantrag zurückzuweisen. Das gilt erst recht, wenn der Erbe den Pflichtteil aus seinem Eigenvermögen begleichen kann. Ebenso wenig stellt es eine unbillige Härte im Sinne des § 2331 a BGB dar, wenn die Veräußerung eines Vermögensgegenstands zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Pflichtteils wirtschaftlich ungünstig ist. Ob eine unbillige Härte im Sinne des § 2331 a BGB vorliegen kann, wenn der Erbe Familienerbstücke oder Kunstgegenstände veräußern muss, um den Pflichtteil zu begleichen, ist umstritten. Da die Regelung offenbar in erster Linie auf existenzbedrohende Situationen für den Erben zielt, reicht eine emotionale oder geistige Bindung an zu veräußernde Nachlassgegenstände...