Für den Fall, dass das Grundkapital einer Aktiengesellschaft (oder das Stammkapital einer GmbH) in stimmberechtigte sowie stimmrechtslose Aktien (bzw. Geschäftsanteile) unterteilt ist, stellt sich vor dem Hintergrund der nach Auffassung der Finanzverwaltung erforderlichen Differenzierung zwischen den Anteilsarten die Frage, auf welcher Basis die Mindestbeteiligungsquote im Sinne von § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG – gerade auch in Fällen einer beabsichtigten Poolung nach § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG – zu berechnen ist. Hierzu vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, dass das Vorhandensein stimmrechtsloser Vorzugsaktien auf die Art und Weise der Quotenbestimmung keinen Einfluss habe. Vielmehr sei stets auf das Verhältnis der gesamten Stamm- und Vorzugsaktien zum Nennkapital der Gesellschaft abzustellen.
Gegen diese Sichtweise ist vor dem Hintergrund des Gesetzeswortlauts grundsätzlich nicht viel einzuwenden; sie verstärkt jedoch die Schwierigkeiten, bei Vorhandensein stimmrechtsloser Anteile deren Einbeziehung in den Anwendungsbereich der erbschaftsteuerlichen Begünstigungsnormen zu erreichen. Da der Erblasser/Schenker nicht selbst unmittelbar mehr als 25 % aller Anteile an der betroffenen Gesellschaft hält, ist er für eine begünstigte Übertragung auf die erfolgreiche Poolung seiner Anteile angewiesen. Diese kommt nach Auffassung der Finanzverwaltung ohnehin nur in Betracht, wenn er neben stimmrechtslosen auch stimmberechtigte Anteile innehat. Darüber hinaus muss er Mitgesellschafter finden, die nicht nur bereit sind, mit ihm eine Poolvereinbarung abzuschließen, sondern die auch so viele stimmberechtigte Anteile halten, dass alle Poolbeteiligten gemeinsam die Mindestbeteiligungsquote von mehr als 25 % des insgesamt vorhandenen Grund- bzw. Stammkapitals erreichen. Dies kann in der Praxis zum Problem werden. Das ist umso schwieriger zu lösen, je größer der Anteil der stimmrechtslosen Anteile am gesamten Grund- bzw. Stammkapital der Gesellschaft ist. In – zugegebenermaßen extremen – Konstellationen führt die Sichtweise der Verwaltung sogar dazu, dass begünstigte Anteilsübertragungen vollständig ausscheiden:
Beispiel 4:
75 % aller Anteile einer Kapitalgesellschaft sind stimmrechtslos. A hält alle stimmberechtigten Anteile, B, C und D halten jeweils 25 % in Form von stimmrechtslosen Anteilen.
Lösung 4:
Unter Zugrundelegung der dargestellten Verwaltungsauffassung kommt eine begünstigte Übertragung für keinen der beteiligten Gesellschafter in Betracht. Keiner von ihnen ist unmittelbar zu mehr als 25 % an der Gesellschaft beteiligt. Die Voraussetzungen des § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sind daher bei keinem von ihnen erfüllt. Zur Einbeziehung in eine Poolvereinbarung im Sinne von § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 sind grundsätzlich nur die von dem Gesellschafter A gehaltenen stimmberechtigten Anteile geeignet. Die stimmrechtslosen Anteile der Gesellschafter. B, C und D kommen aber nach R E 13 b.6 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 ErbStR 2011 nicht in Betracht. Eine Poolvereinbarung kann, jedenfalls mit erbschaftsteuerlicher Wirkung, im vorliegenden Falle also nicht abgeschlossen werden.
Dasselbe Ergebnis kann sich unter Zugrundelegung der Verwaltungsauffassung auch einstellen, wenn mehrere Gesellschafter den überwiegenden Teil sowohl der stimmberechtigten als auch der stimmrechtslosen Anteile in einen Poolvertrag einbeziehen, hierbei jedoch der Anteil der stimmberechtigten Aktien/Geschäftsanteile 25 % des insgesamt vorhandenen Gesellschaftskapitals nicht überschreitet.
Beispiel 5:
Das insgesamt vorhandene Stammkapital der A-GmbH beläuft sich auf EUR 100.000,00. Es entfällt je zu 40 % auf stimmberechtigte gewöhnliche Geschäftsanteile und zu 60 % auf stimmrechtslose Vorzugsgeschäftsanteile. Gesellschafter A hält eine Beteiligung von 20 % in Form von gewöhnlichen Geschäftsanteilen und von 5 % in Form von Vorzugsgeschäftsanteilen. Gesellschafter B hält 5 % als gewöhnliche Geschäftsanteile und 20 % als Vorzugsgeschäftsanteile und Gesellschafter C ist Inhaber der restlichen Anteile, also von 15 % in Form von gewöhnlichen sowie von 35 % in Form von Vorzugsgeschäftsanteilen.
Lösung 5:
Die von Gesellschafter C gehaltenen Geschäftsanteile sind insgesamt begünstigt, und zwar sowohl die gewöhnlichen als auch die Vorzugsgeschäftsanteile. Er hält allein mehr als 25 % des insgesamt vorhandenen Stammkapitals, sodass seine Beteiligung insgesamt nach § 13 b Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 ErbStG grundsätzlich begünstigungsfähig ist.
Für A und B gilt dies jeweils nicht. Keiner von ihnen ist allein mit mehr als 25 % an der GmbH beteiligt. Auch eine Poolung kommt ohne Mitwirkung des C mit erbschaftsteuerrechtlicher Wirkung nicht in Betracht, da nach Verwaltungsauffassung nur die stimmberechtigten Geschäftsanteile wirksam in die Poolvereinbarungen einbezogen werden können und A und B gemeinsam nur 25 % (und nicht mehr) auf sich vereinigen können. Dieses Ergebnis scheint umso absurder, wenn man sich vor Augen führt, dass A und B mit ihren stimmberechtigte...