Im Fall reiner E-Mail-, Chat-, SMS- oder sonstiger Nachrichtendienst-Provider ist neben den genannten Regelungen des TMG auch das TKG zu beachten.[18] § 88 Abs. 1 TKG unterstellt als einfachgesetzliche Ausprägung des Art. 10 GG den Inhalt der Telekommunikation sowie deren nähere Umstände und die an ihr beteiligten Personen dem Fernmeldegeheimnis. Für Telekommunikations-Provider ist also im Fall der Preisgabe von Zugangsdaten und Passwörtern eines Accounts an die Erben des verstorbenen Inhabers nicht nur das Problem aufgeworfen, ob sie gegen § 12 Abs. 1 TMG verstoßen, sondern auch, ob § 88 Abs. 2 u. Abs. 3 TKG der Herausgabe entgegensteht, bzw. ob womöglich sogar strafrechtliche Konsequenzen nach § 206 StGB zu befürchten sind. § 88 TKG ist vor allem deshalb tangiert, weil der Erbe im Fall des Zugangs zu einem Account des Erblassers Zugriff auf die Inhalte der Kommunikation bzw. der Nutzung eines Telemediums erlangen kann.[19] Es stellt sich jedoch erneut die Frage nach der Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Nachfolge von Todes wegen. Tritt der Erbe in die vertragliche Stellung des Erblassers gegenüber dem Provider ein, so mag ein Fall des § 88 Abs. 3 S. 1 TKG vorliegen. Daher kann man mit guten Gründen behaupten, die Herausgabe der Zugangsdaten des Erblassers an seinen Nachfolger in der Vertragsbeziehung erfolge im Rahmen der "geschäftsmäßigen Erbringung von Telekommunikationsdiensten" und sei damit rechtmäßig.[20]

Zweifel an der Anwendung des Fernmeldegeheimnisschutzes nach dem TKG sind erneut mit Blick auf die Schutzbedürftigkeit des Erblassers angebracht, was wiederum ein Vergleich der digitalen Hinterlassenschaften mit denjenigen der analogen Welt verdeutlicht. Jegliche postalische oder sonstige schriftliche Korrespondenz eines Erblassers fällt unstreitig in den Nachlass, vgl. nur §§ 2047 Abs. 2, 2373 BGB, und zwar unabhängig von der Frage, welchen Charakter die Inhalte solcher Schriftstücke haben. Datenschutzrechtliche Bedenken im weiteren Sinne spielen bei der Inbesitznahme und Sichtung des Nachlasses durch den Erben in der analogen Welt keine Rolle. Es ist aber kein überzeugender Grund ersichtlich, im digitalen Bereich einen anderen, strengeren Maßstab anzulegen.

[18] Ob § 88 TKG spezieller als die Vorschriften des TMG ist, ist umstritten; dafür: Kroiß/Horn/Solomon/Herzog (Fn 3), Teil 1/9 Rn 57; Kutscher (Fn 3), S. 135; aA Martini, JZ 2012, 1145, 1148. Für eine klare Trennung der Anwendungsbereiche von TKG und TMG nach dem sog. Schichtenmodell: in JurisPK-Internetrecht/Heckmann (Fn 12), Kap. 9 Rn 44; ebenso Plath/Hullen/Roggenkamp (Fn 9), § 11 TMG Rn 12.
[19] Plath/Hullen/Roggenkamp (Fn 9), § 11 TMG Rn 12.
[20] Kroiß/Horn/Solomon/Herzog (Fn 3), Teil 1/9 Rn 66; Pruns, NWB 2014, 2175, 2178 f.

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