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In testamentarischen Anordnungen findet man regelmäßig die Verfügung, dass sich ein oder mehrere Erben Vorempfänge, die sie zu Lebzeiten seitens des Erblassers erhalten haben, im Rahmen der Erbteilung anrechnen lassen müssen. Die Schwierigkeit für die Erbauseinandersetzung besteht bei nicht hinreichender Bestimmtheit insoweit, als nun zu klären ist, ob es sich dabei um eine sich bereits aus dem Gesetz ergebende Ausgleichspflicht entsprechend der §§ 2050 ff BGB handelt, eine nachträgliche Anordnung einer Ausgleichspflicht nach § 2050 Abs. 3 BGB oder um eine sonstige vermächtnisweise Regelung. Ist für die Abwicklung des Nachlasses Testamentsvollstreckung angeordnet, muss der Testamentsvollstrecker die Ausgleichungspflicht, die sich durch Vorempfänge, aber auch durch entsprechende testamentarische Anordnungen ergeben, prüfen und bei der Ermittlung des Teilungsquotienten berücksichtigen. Unterlässt er dies, macht er sich schadensersatzpflichtig, wie kürzlich das OLG München entschieden hat.
I. Ausgleichung von Vorempfängen
Die Ausgleichung von Vorempfängen, die ein Erbe zu Lebzeiten vom Erblasser erhalten hat, findet nach den §§ 2050 BGB dann statt, wenn es sich bei den Erben um Abkömmlinge des Verstorbenen handelt. Der überlebende Ehepartner des Erblassers ist an der Ausgleichung nicht beteiligt. Ferner muss hinzukommen, dass entweder nach § 2050 BGB die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist oder dass nach § 2052 BGB die testamentarisch verfügten Quoten entsprechend der gesetzlichen Erbfolge nachgebildet sind. Ziel und Zweck der Vorschriften der §§ 2050 ff BGB ist die Gleichbehandlung der Abkömmlinge, die bspw. dann nicht mehr als gewollt angesehen wird, wenn der Erblasser die Erbquoten unterschiedlich festlegt. Damit setzt er den Ausgleichsmechanismus im Rahmen der Erbteilung außer Kraft.
Nach den §§ 2050 ff BGB ist eine Zuwendung kraft Gesetzes ausgleichspflichtig, wenn es sich um eine Ausstattung handelt (§ 2050 Abs. 1 BGB, § 1624 BGB), eine Übermaßzuwendung zu den Einkünften oder zur Vorbildung zu einem Beruf. Ebenso ausgleichspflichtig ist eine Zuwendung, die der Erblasser dem Abkömmling mit der Bestimmung zugewandt hat, dass diese im Erbfall auszugleichen ist. In der Praxis sind dies die Zuwendungen mit einer Anrechnungsbestimmung auf den Erbteil oder aber auch die Zuwendungen mit der nicht seltenen Bezeichnung "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge".
II. Berücksichtigung durch den Testamentsvollstrecker
Hat der Erblasser für die Abwicklung seines Nachlasses Testamentsvollstreckung angeordnet, muss der Testamentsvollstrecker die Frage der Vorempfänge klären, wenn eine Ausgleichssituation gegeben ist. Nach § 2204 BGB hat der Testamentsvollstrecker nämlich die Auseinandersetzung unter den Miterben nach Maßgabe der §§ 2042–2057a BGB zu vollziehen. Neben den Teilungsanordnungen sind dabei die gesetzlichen Teilungsregeln und insbesondere auch die ausgleichungspflichtigen Vorempfänge zu berücksichtigen.
Wie oben dargelegt, sind Vorempfänge zu berücksichtigen, wenn die Erbengemeinschaft (auch) aus Abkömmlingen besteht, die entsprechend der gesetzlichen Erbfolge bedacht sind oder testamentarisch im gleichen Verhältnis wie bei der gesetzlichen Erbfolge. Für die Ermittlung des jeweiligen Erbteils hat der Testamentsvollstrecker daher die Vorempfänge zu klären, da sie zu einer Veränderung des Teilungsanspruchs im Rahmen der Erbauseinandersetzung führen können.
Von der Höhe des Teilungsanspruchs hängt weiter ab, wer im Rahmen der Aufteilung des Nachlasses welchen Anteil erhält, und es hängt davon ab, ob Teilungsanordnungen des Erblassers in der testamentarischen Verfügung durch den Testamentsvollstrecker erfüllt werden können. Denn nur wenn einem Erben ein dem Wert der Teilungsanordnung entsprechender Teilungsanspruch bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zusteht, kann bzw. darf der Testamentsvollstrecker die Teilungsanordnung auch berücksichtigen.
Bei dem Zusammenspiel zwischen der Ermittlung des Teilungsquotienten und der Berücksichtigung der Teilungsanordnung gilt es, die unterschiedlichen Bewertungszeitpunkte zu beachten. Für die Ermittlung des Teilungsanspruchs (Teilungsquotienten) ist nach den §§ 2050 ff BGB auf den Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen, während für die Erfüllung der Teilungsanordnung der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt der Auseinandersetzung maßgebend ist.