a) BFH und Finanzverwaltung
aa) Aufgabe des Gewerbebetriebs (§ 13a Abs. 6 Nr. 1 ErbStG)
In einem Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung hat der BFH am 7.7.2004 zu dem Nachsteuertatbestand in Form der Aufgabe eines Kommanditanteils durch Insolvenz nach § 13a Abs. 5 S. 1 ErbStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997, noch Bedenken an der Berechtigung der Nachsteuer geäußert. So hat er es als ernstlich zweifelhaft angesehen, ob der Wegfall der Steuerbegünstigungen des § 13a Abs. 5 ErbStG a.F. aufgrund einer solchen, durch Konkurs herbeigeführten Aufgabe des Gesellschaftsanteils, mit dem Sinn und Zweck des Nachversteuerungstatbestandes der Vorschrift vereinbar ist und jedenfalls im lediglich summarischen Verfahren in Betracht gezogen, diesen Nachsteuertatbestand dahin auszulegen, dass eine Nachbesteuerung zu unterbleiben hat, da der Erwerber das steuerbegünstigt erworbene Vermögen durch einen Konkurs verlor. In seinem Urt. v. 16.2.2005 hat sich der BFH deutlich von diesen Zweifeln verabschiedet und entschieden, dass der Wegfall der Steuerbefreiung unabhängig davon eintritt, aus welchen Gründen das begünstigt erworbene Betriebsvermögen veräußert oder der Betrieb aufgegeben worden ist; eine teleologische Reduktion des Nachversteuerungstatbestandes wegen der unfreiwilligen Aufgabe kommt insoweit nicht in Betracht.
Die Finanzverwaltung ist dieser Auffassung gefolgt. So enthalten die aktuellen Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 in RE13a.13 Abs. 1 folgenden Satz 3:
Zitat
"Als Veräußerung gilt auch die Aufgabe eines Gewerbebetriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils sowie die Eröffnung des Insolvenzverfahrens."
bb) Auflösung der Kapitalgesellschaft (§ 13a Abs. 6 Nr. 4 ErbStG)
Nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG wird eine GmbH durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Ohne Insolvenzverfahren wird eine GmbH mit der Rechtskraft des Beschlusses aufgelöst, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG). Diesen Vorschriften entsprechen § 262 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AktG für die AG.
Die Auffassung, dass der Nachsteuertatbestand neben der Auflösung die Verteilung von Vermögen an die Gesellschafter voraussetzt, hat sich nicht durchgesetzt. Daher reicht alleine die Auflösung aus.
b) Unterschreitung der Mindestlohnsumme mit anschließender Insolvenz
In der momentanen Krise kann es insbesondere dann, wenn die "Abfederung" mit Kurzarbeitergeld nicht gelingt, dazu kommen, dass zunächst eine Unterschreitung der Mindestlohnsumme und im Anschluss die Insolvenz einritt. Für solche "Mehrfachverstöße" enthielten die ErbStR in ihrer am 30.12.2011 veröffentlichten Fassung in RE13a.12 Abs. 3 ErbStR 2011 eine Verwaltungsanweisung, die im Beispiel 2 von HE13a.12 ErbStH 2011 konkretisiert wurde. Danach war sowohl die Nachsteuer wegen Unterschreitung der Mindestlohnsumme als auch diejenige wegen des Behaltensfristenverstoßes, gegebenenfalls zeitanteilig gequotelt, zu berechnen. Der Nachsteuer unterlag dann der höhere Betrag, mit der Konsequenz, dass die jeweils höhere Steuerbelastung nachträglich eintrat. A 13a.12 ErbStR in der Fassung der koordinierten Ländererlasse vom 22.6.2017 enthielt ebenso wie die jetzt geltenden ErbStR 2019 keine entsprechenden Regelungen mehr. Daher ist m.E. davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung nicht mehr die Auffassung vertritt, der für den Steuerpflichtigen nachteilige höhere Betrag sei maßgeblich. Vielmehr ist zu vermuten, dass die Finanzverwaltung das in der Literatur entwickelte Argument der logischen Vorrangigkeit anerkennt. Sowohl die Prüfung der Mindestlohnsumme als auch diejenige, ob die Behaltensregelungen eingehalten wurden, erfolgt am Ende der einschlägigen 5- oder 7-Jahres Frist. Tritt ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen ein, muss dies logisch vor dem Prüfungszeitpunkt der Mindestlohnsumme erfolgt sein mit der Konsequenz, dass dieser Nachsteuertatbestand vorrangig ist.
c) Rechtsprechung des BFH zum Erlass
Das ErbStG in seiner jetzigen Fassung enthält keine den allgemeinen Regelungen entsprechende Billigkeitsvorschrift. Daher kann auf die subsidiären Billigkeitsregelungen der § 163 und § 227 AO rekurriert werden. Die beiden Vorschriften weisen dieselben tatbestandsmäßigen Voraussetzungen auf, unterscheiden sich, abgesehen von unterschiedlichen Rechtsfolgen, aber auch darin, dass § 163 AO den Billigkeitserlass im Festsetzungsverfahren, § 227 AO den Billigkeitserlass im Erhebungsverfahren regelt.
Diese Unterscheidung ist für den Steuerpflichtigen und seine Berater insbesondere deswegen wesentlich, da nach der Rechtsprechung des BFH Gesichtspunkte, die bereits im Steuerfestsetzungsverfahren vorzubringen waren oder noch sind, im Billigkeitsverfahren nach § 227 AO regelmäßig nicht berücksi...