Die Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes endet unterhaltsrechtlich beim eigenen angemessenen Selbstbehalt und dem des Ehegatten. Bisher betrug der eigene angemessene Selbstbehalt 1.800,00 EUR für den Unterhaltspflichtigen und 1.440,00 EUR für das Schwiegerkind. Die Düsseldorfer Tabelle 2020 hat lediglich eine Anhebung auf 2.000,00 EUR und 1.600,00 EUR für das Schwiegerkind vorgenommen. Mit einem Selbstbehalt von 3.600,00 EUR für ein verheiratetes unterhaltspflichtiges Kind müsste demnach also nach bisherigem Muster der sogenannte Schwiegerkindhaftung der Unterhaltsanspruch auf Elternunterhalt errechnet werden.
Dazu hat man bisher das unterhaltsrechtliche Gesamtfamilieneinkommen berechnet und davon den abstrakten Familienselbstbehalt abgezogen. Aus dem überschießenden Betrag wurden 45 % errechnet, die dem abstrakten Familienselbstbehalt hinzugerechnet wurden. Daraus ergab sich der konkrete Familienselbstbehalt. Sodann wurde der Anteil des Unterhaltspflichtigen am konkreten Familienselbstbehalt berechnet und daraus ermittelt, welcher Anteil der Unterhaltspflichtigen zunächst "in der Familienkasse" abgeben musste, und was dann noch für Elternunterhaltsansprüche übrigblieb. Würde man weiterhin so verfahren, so ergäben sich für alle all diejenigen, die über 100.000,00 EUR verdienen und nicht ganz erhebliche Abzugsposten aufweisen können, auch erhebliche Unterhaltsansprüche. Hierzu einige Berechnungsbeispiele, die jeweils die Lage für Einkünfte bis 100.000,00 EUR und oberhalb von 100.000,00 EUR darstellt.
a) Die alleinstehenden Kinder
Fall 1: Die Mutter hat einen alleinstehenden Sohn, der als Manager 100.000 EUR verdient und eine alleinstehende Tochter, die an einem Krankenhaus als Ärztin arbeitet und regulär 101.000 EUR brutto verdient.
Fall 2: Die Tochter T verdient (nur) durch Nacht- und Bereitschaftsdienste, durch Samstags- und Sonntagsarbeit 101.000 EUR, weil sie eine Immobilie erworben hat und entsprechende Abzahlungen leisten muss.
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Sohn |
Tochter |
Bruttolohn Monatlich |
100.000,00 EUR 8.333,33 EUR |
101.000,00 EUR 8.416,67 EUR |
Lohnsteuer StKl. 1 |
2.357,25 EUR |
2.392,25 EUR |
Solidaritätszuschlag |
129,64 EUR |
131,57 EUR |
Kirchensteuer |
212,15 EUR |
215,30 EUR |
Summe der Steuern |
2.699,04 EUR |
2.739,12 EUR |
Rentenversicherung |
623,10 EUR |
623,10 EUR |
Arbeitslosenversicherung |
83,75 EUR |
83,75 EUR |
Krankenversicherung (variabel) |
351,66 EUR |
351,66 EUR |
Pflegeversicherung(variabel) |
80,54 EUR |
80,54 EUR |
Summe Sozialversicherung |
1.139,05 EUR |
1.139,05 EUR |
Nettolohn |
4.495,24 EUR |
4.538,50 EUR |
Differenz: 43,26 EUR |
Das Nettoeinkommen des Sohnes in der Steuerklasse 1 bei 100.000 EUR beträgt monatlich rund 43 EUR weniger als das bei 101.000 EUR der Tochter. Beide Kinder sind – unter Vernachlässigung ihrer unterhaltsrechtlich bedeutsamen Abzugsposten und evtl. unterhaltsrechtlicher Korrekturen – in der Lage, aus ihrem Einkommen Unterhalt nach §§ 1601 ff. BGB zu zahlen.
Nach der neuen Düsseldorfer Tabelle liegt der angemessene Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes gegenüber seinem Elternteil bei 2.000,00 EUR. Das würde für den Sohn mit einem Einkommen von 100.000 EUR brutto zu folgender unterhaltsrechtlicher Leistungsfähigkeit im Elternunterhalt führen:
4.495,24 EUR unterhaltsrechtliches Nettoeinkommen |
– 2.000,00 EUR abstrakter Selbstbehalt |
2.495,24 EUR übersteigendes Einkommen |
Leistungsfähigkeit 1.247,62 EUR für Elternunterhalt = 50 % des übersteigenden Betrages |
Für die Tochter mit 101.000 EUR sieht das Bild nur unwesentlich anders aus:
4.538,50 EUR unterhaltsrechtliches Nettoeinkommen |
– 2.000,00 EUR abstrakter Selbstbehalt |
2.538,50 EUR übersteigendes Einkommen |
Leistungsfähigkeit 1.269,25 EUR für Elternunterhalt = 50 % des übersteigenden Betrages |
Da der Sohn die 100.000-Euro-Grenze nicht überschreitet, zahlt er – unabhängig von seinem angemessenen Selbstbehalt nichts, während die Tochter bei einem angemessenen Selbstbehalt von 3.269,25 EUR immer noch in bedeutsamer Höhe in Anspruch genommen wird.
Es war eigentlich schon bisher nicht begründbar, warum in einem solchen Fall der Rückgriff auf den Sohn für die Grundsicherung (§§ 41 ff. SGB XII) durch den Gesetzgeber aufgehoben wurde und im Fall der Tochter nicht.
b) Das einkommenslose Kind/Das einkommenslose Schwiegerkind
Fall 1: Der Schwiegersohn verdient 100.000 EUR im Sinne des § 16 SGB IV und alternativ 101.000 EUR. Die Tochter verdient nichts.
Die Tochter muss in keinem Fall mehr mit Inanspruchnahme rechnen, weil Taschengeld die Einkommensgrenze nicht erreicht und auch kein Einkommen im Sinne des Einkommenssteuergesetzes ist. Auf das Einkommen des Schwiegersohnes oder einen angemessenen eigenen Selbstbehalt kommt es nicht an.
Fall 2: Die Tochter ist verheiratet und verdient 100.000 EUR/101.000 EUR brutto und hat einen Ehemann, der nichts verdient. Mit Abweichungen wegen der Kranken-/Pflegeversicherung kann man in der Steuerklasse 3 von rd. 5.275,00 EUR für das unterhaltspflichtige Kind ausgehen. Bei 101.000 EUR sind es ca. 5.335,00 EUR. Nach der Rechtsp...