Um dem Vorwurf der formelhaften und daher nicht ausreichenden Begründung zu entgehen, ist entscheidend auf den Sinn und Zweck einer Norm zu achten. Dabei können wir als Arbeitshypothese zunächst auch die planwidrige Lücke unterstellen.
Die Regel, dass eine Norm spezieller und daher vorrangig sei, ist nur dann überzeugend, wenn Sinn und Zweck des Gesetzes dies ergibt – ansonsten kann der Rechtsanwender grundsätzlich zwischen den zwei Normen wählen. Auch die Regel, dass Ausnahmebestimmungen grundsätzlich eng auszulegen und zurückhaltend anzuwenden seien, greift erst dann, wenn Sinn und Zweck, das innere System der Norm, dies hergeben. Es muss eine Ausnahme "auch der Sache nach" sein (Larenz). Die Reichweite der Verbotsnorm bzw. die Reichweite der sich widerstreitenden Normen § 2216 Abs. 1 BGB und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ist daher nach ihrem Sinn und Zweck zu ermitteln, ihrer grundsätzlichen Ausrichtung.
Der grundlegende Sinn und Zweck, der den beiden, ggf. widerstreitenden Rechtsfolgenanordnungen in § 2216 BGB gemeinsam ist, besteht in der von Art. 14 Abs. 1 S.1 GG geschützten Testierfreiheit.§ 2216 Abs. 2 S. 1 BGB ist insoweit leicht zu verstehen. Der Sinn und Zweck ergibt sich schon aus dem Wortlaut. Die Norm ist Ausdruck der Testierfreiheit, setzt den Erblasserwillen mittels der besonderen Erblasseranordnung unmittelbar um und eine diesbezügliche Verfügung von Todes wegen ausdrücklich voraus. Aber auch § 2216 Abs. 1 BGB beruht auf dem Erblasserwillen: denn für die Anordnung der Testamentsvollstreckung bedarf es zwingend einer Verfügung von Todes wegen, an die das Gesetz dann ebenso zwingend die Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung knüpft, §§ 2216 Abs. 1, 2220 BGB. Der Erblasser hat sich in diesem Fall für eine Testamentsvollstreckung ohne Anordnungen nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGG (bewusst oder unbewusst) entschieden. Es gibt auch hier eine vom Erblasserwillen ausgehende Rechtsfolge. Es ist daher nicht möglich, das Fehlen einer Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB als Schweigen ohne rechtlichen Erklärungswert zu verstehen, wie es die Grundregel in der allg. Rechtsgeschäftslehre ist. Sofern man ein Schweigen des Erblassers überhaupt annehmen wollte, wäre dies allenfalls ein rechtlich erhebliches, beredtes Schweigen. Alles andere widerspräche Art 14 Abs. 1 S. 1 GG, der die Selbstbestimmung und Testierfreiheit des Erblassers umfassend schützt und daher auch den Verzicht zu testieren. Die Rechtslage und Rechtsprechung, wonach § 2216 Abs. 1 BGB nur insoweit gilt, als dies nicht durch eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB modifiziert oder aufgehoben wird, widerspricht diesem Befund nicht: dort hat der Erblasser eben ggf. "besonders" testiert. Hier geht es dagegen um das Auslegungsproblem, dass genau dies nicht klar ist.
Die Tatsache, dass vom Erblasser eine Testamentsvollstreckung ohne Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB verfügt wurde, ist vom methodischen Standpunkt aus a priori rechtlich nicht defizitär in dem Sinne, dass bei § 2216 Abs. 1 BGG ein Erblasserwille fehlte im Gegensatz zu § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB. § 2216 Abs. 1 BGB und § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB sind rechtlich gleichberechtigt und können widerspruchfrei alternativ angewendet werden: der Erblasser hat die Testamentsvollstreckung entweder mit oder ohne eine Anordnung nach § 2216 Abs. 2 S. 1 BGB verfügt. Aufgrund dieses Normzwecks gibt es auch keine Lücke, die in dieser Hinsicht ein Umgehungsargument bzw. –verbot rechtfertigen könnte.