I.
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen vorzunehmen.
Der Kläger zu 1. ist Miterbe der am 0.0.2013 verstorbenen Frau C. Zum Nachlass gehörten Investmentanteile an einem Geldmarktfonds (XXX). Der thesaurierende Fonds investiert in kurzfristige festverzinsliche Wertpapiere. Zum Todestag befanden sich 1.045 Anteile im Depot der Erblasserin (Marktkurs = 112,27 EUR; Gesamtwert = 117.322,15 EUR, vgl. Vermögensaufstellung der Bank auf den 20.9.2013 vom 13.3.2014).
Das Finanzamt xxx setzte Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger zu 1. in Höhe von 289.290 EUR fest und berücksichtigte dabei unter anderem die streitbefangenen Wertpapiere mit einem Wert von 118.472 EUR (Erbschaftsteuerbescheid vom 6.6.2017).
Der Kläger zu 1. veräußerte am 22.8.2017 1.035 Stück dieser Wertpapiere zu einem Ausführungskurs von 111,66 EUR. Nach der Abrechnung der Sparkasse J vom 24.8.2017 ergaben sich folgende Beträge:
Kurswert 115.568,10 EUR
Provision ./. 577,84 EUR
Kapitalertragsteuer von 25 %
(Ersatz-BMG = 34.670,43 EUR) ./. 8.667,61 EUR
Solidaritätszuschlag von 5,5 % ./. 476,71 EUR
Ausmachender Betrag 105.845,94 EUR
Die von der Sparkasse J ausgestellte Steuerbescheinigung wies für den Verkauf der vorgenannten Wertpapiere einen Gewinn nach § 20 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 34.670,43 EUR (Ersatz-BMG nach § 43a Abs. 2 S. 7, 10, 13 und 14 EStG) aus.
Der Kläger zu 1. erklärte den Gewinn von 34.670 EUR als Einkünfte aus Kapitalvermögen und machte geltend, dieser Betrag sei bereits der Erbschaftsteuer unterworfen worden. Im Rahmen der Erbschaftsteuerfestsetzung seien die Wertpapiere mit einem Wert von 118.472,27 EUR angesetzt worden. In diesem Betrag seien auch die Stückzinsen in Höhe von 34.670,43 EUR, welche nunmehr der Einkommensteuer unterworfen würden, enthalten. Dass die Stückzinsen von 34.670,43 EUR auf die Zeit vor dem Erbfall entfielen, ergebe sich daraus, dass der Wert der Investmentanteile seit dem Erbfall gefallen sei (Wert am 20.9.2013 = 112,27 EUR; Wert bei Verkauf am 22.8.2017 = 111,66 EUR). Die auf die Stückzinsen entfallende Erbschaftsteuerbelastung betrage 10.401,13 EUR (30 % von 34.670,43 EUR). Zur Vermeidung einer Doppelerfassung sei die auf die Stückzinsen entfallende Einkommensteuer nach Maßgabe des § 35b EStG zu ermäßigen.
Der Beklagte setzte gegenüber dem Kläger zu 1. und seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau Einkommensteuer fest, ohne die Steuerermäßigung nach § 35b EStG zu gewähren (Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 8.4.2019). Zur Erläuterung führte er aus, dass die Stückzinsen nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen führten und als solche dem gesonderten Steuertarif nach § 32d Abs. 1 EStG unterlegen hätten. § 35b EStG finde nur auf tariflich besteuerte Einkünfte Anwendung.
Während des sich anschließenden Einspruchsverfahrens verstarb die Ehefrau des Klägers zu 1. Sie wurde beerbt von dem Kläger zu 1. und der Klägerin zu 2. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 29.10.2019 als unbegründet zurück.
Im sich anschließenden Klageverfahren (7 K 3455/19 E) wies der Berichterstatter darauf hin, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche der Abgeltungsteuer und damit einem gesonderten Tarif unterliegen, nicht in die "tarifliche Einkommensteuer" i.S.v. § 35a Abs. 1 EStG eingingen und damit nicht nach § 35a EStG ermäßigt zu besteuern seien (BFH-Beschl. v. 28.4.2020 – VI R 54/17, BStBl II 2020, 544). Entsprechendes dürfte für die "tarifliche Einkommensteuer" i.S.v. § 35b EStG gelten. Die Steuerermäßigung finde nur dann Anwendung, wenn die Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund einer Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) der tariflichen Einkommensteuer unterworfen würden. Im Streitfall sei die Günstigerprüfung allerdings negativ ausgefallen (vgl. gerichtliche Verfügungen vom 17.09. und 2.10.2020). Die Kläger nahmen daraufhin die Klage gegen die Steuerfestsetzung zurück.
Anschließend beantragten die Kläger eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen und führten zur Begründung an, dass die Stückzinsen in Höhe von 34.670,43 EUR sowohl der Erbschaftsteuer (30 %) als auch der Kapitalertragsteuer (25 %) unterlegen hätten. Die Steuerbelastung liege damit über dem Spitzensteuersatz. Nach der Rechtsprechung des BFH könne die Erhebung eines Einkommensteueranspruchs sachlich unbillig sein, wenn das Zusammenwirken verschiedener Regelungen zu einer hohen Steuerschuld führe, obgleich dem kein Zuwachs an Leistungsfähigkeit zugrunde liege (BFH-Urt. v. 26.10.1994 – X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da das Erbschaftsteuergesetz spätestens seit Einführung der Abgeltungsteuer nicht hinreichend mit dem Einkommensteuergesetz abgestimmt sei.
Der Beklagte lehnte den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 der Abgabenordnung (AO) mit Bescheid vom 20.10.2020 mit der Begründung ab, dass der Gesetzgeber die Steuerermäßigung nach § 35b EStG einde...