II.
A. Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).
B. Die Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 20.10.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2020 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger keinen Anspruch auf eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen haben (§ 101 S. 1 FGO). Insbesondere ergibt sich eine sachliche Unbilligkeit nicht daraus, dass die Steuerermäßigung nach § 35b EStG auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, welche der Abgeltungsteuer unterliegen, nicht anwendbar ist.
I. Gemäß § 163 Abs. 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.
Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist zwar sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein voraussetzungsloses Ermessen. Vielmehr setzen die abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 S. 1 AO und der Erlass nach § 227 AO voraus, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Der Begriff "unbillig" ragt in den Ermessensbereich hinein und bestimmt damit zugleich Inhalt und Grenzen der Ermessensausübung. Da das in §§ 163 und 227 AO verwendete Merkmal "unbillig" danach ein im gerichtlichen Verfahren überprüfbarer Rechtsbegriff ist, kommt ein dieses Merkmal einschließendes behördliches Ermessen nicht in Betracht (BFH-Beschl. v. 11.7.2018 – XI R 33/16, BFHE 262, 114, BStBl II 2019, 258)
Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH-Urt. v. 2.12.2015 – V R 15/14, BFHE 252, 158, BStBl II 2017, 553).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.
1. Aus der gesetzlichen Systematik ergibt sich zunächst, dass die streitbefangenen Wertpapiere sowohl der Erbschaftsteuer als auch der Einkommensteuer zu unterwerfen waren.
a) Die zum Nachlass gehörenden Investmentanteile unterliegen im Jahr 2013 der Erbschaftsteuer, ohne dass die darauf zu entrichtende Einkommensteuer abzugsfähig wäre.
Nach § 10 Abs. 1 S. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers. Dabei sind die vom Erblasser herrührenden Schulden als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG). Zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten gehören nur solche Steuerschulden, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits rechtlich entstanden waren oder die der Erblasser durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die mit dem Ablauf des Todesjahres entstehen (BFH-Urt. v. 4.7.2012 – II R 15/11, BFHE 238, 233, BStBl II 2012, 790).
Nach diesen Grundsätzen ist die auf den VZ 2017 entfallende Einkommensteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer abzugsfähig, weil erst die Erben den einkommensteuerrechtlichen Tatbestand durch die Veräußerung der Wertpapiere im Jahr 2017 verwirklicht haben.
b) Da die Erbschaftsteuer eine Personensteuer i.S.d. § 12 Nr. 3 EStG ist, ist ein Abzug der in 2013 entstandenen Erbschaftsteuer bei der Einkommensteuer ebenfalls nicht möglich (Schmidt/Kulosa, 39. Auflage 2020, § 35b Rn 2).
2. Auch unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 35b EStG ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber eine Regelung zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer für den Streitfall geschaffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Mit der Einfügung des § 35b EStG wollte der Gesetzgeber zwar die Doppelbelastung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer innerhalb eines Fünfjahreszeitraums abmildern. Er hat die Regelung aber bewusst an bestimmte – hier nicht vorliegende – Voraussetzungen geknüpft.
a) § 35b S. 1 EStG sieht lediglich die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer vor.
Nach der zu § 35a EStG ergangenen BFH-Rechtsprechung ist tarifliche Einkommensteuer der Steuerbetrag, der sich aus der Anwendung des Einkommensteuertarifs gemäß § 32a EStG auf das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG ergibt. Kapitalerträge nach § 32d Abs. 1 EStG und § 43 Abs. 5 EStG sind dabei nicht einzubeziehen (§ 2 Abs. 5b EStG). Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen, können daher nicht nach § 35a EStG ermäßigt werden (BFH, Beschl. v. 28.4.2020 – VI R 54/17, BFHE 269, 15, BStBl II 2020, 544).
Nichts anderes kann für die Ermäßigung nach § 35b Satz 1 EStG gelten, da auch...