Wenn der Erblasser zu seinen Lebzeiten Vermögenswerte auf Dritte überträgt, so schmälert er dadurch den späteren Nachlass. Für die Bemessung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen ist der Wert des Nachlasses zum Todeszeitpunkt des Erblassers zugrunde zu legen. Um zu verhindern, dass der Erblasser zum Nachteil der Pflichtteilsberechtigten rechtzeitig Teile seines Vermögens "beiseiteschafft", kann der Pflichtteilsberechtigte verlangen, dass die vollzogene Schenkung dem Nachlass wieder zugerechnet wird, sodass sich der Pflichtteil aus einem höheren, dem sog. fiktiven Nachlasswert, berechnet (vgl. § 2325 Abs. 1 BGB). Für den Pflichtteilsberechtigten bedeutet dies im wirtschaftlichen Ergebnis, dass die Schenkung nie erfolgt ist, sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Für die Höhe der Hinzurechnung bestimmt aber § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB, dass sich der Wert der Schenkung während der Zehn-Jahres-Frist pro Jahr um 10 % mindert (Abschmelzung). Liegt die Schenkung zehn Jahre oder länger zurück, ist kein Schenkungsbetrag mehr dem Nachlass hinzuzurechnen.
Diese Abschmelzung tritt aber nur dann ein, wenn die Schenkung tatsächlich vollzogen worden und der verschenkte Gegenstand zur freien Verfügung des Beschenkten gelangt ist.
Bei Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch ist dies gerade nicht der Fall, weil der Beschenkte das übertragene Grundstück mit dem Nießbrauch belastet und damit gerade nicht vorbehaltlos erhält, wie es für den Beginn der Abschmelzung gem. § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB erforderlich wäre.
Hinsichtlich der Einräumung eines dinglichen Wohnrechts soll Entsprechendes gelten, wenn dem Beschenkten keinerlei eigenständige Nutzungsmöglichkeit belassen wird. Hier legt die h.M. etwa 50 % der Gesamtwohnfläche als Grenze zugrunde sowie die Einräumung von Rückübertragungsansprüchen. Letzteres jedenfalls dann, wenn das auslösende Ereignis im Belieben des Schenkers steht (sog. Potestativbedingung). Da hier in vielen Konstellationen die Abschmelzungsregel leerlaufen wird, sind die flankierenden gegenständlichen Pflichtteilsverzichtsverträge von hoher Relevanz.
Endet der Vorbehaltsnießbrauch oder ein anderes, die Abschmelzungsfrist des § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB hemmendes Recht des Übertragenden, beginnt die Abschmelzung zu laufen. Das heißt, die Vereinbarung der entsprechenden Rechte schließt die Abschmelzung nicht auf Dauer aus, sondern nur für den Zeitraum ihrer Gültigkeit.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Sonderregelung bei Schenkungen unter Ehegatten. Hier beginnt die Zehn-Jahres-Frist und mit ihr die Abschmelzung frühestens mit der Auflösung der Ehe durch Scheidung zu laufen (§ 2325 Abs. 3 S. 3 BGB).
Die Übergabe eines Miethauses gegen Zahlung einer Leibrente in Höhe der monatlichen Mieteinnahmen hingegen setzt den Fristablauf in Gang.