I.
Die Klägerin macht einen Pflichtteilsanspruch nach ihrem am 26.8.2018 verstorbenen Ehemann H. V. geltend.
Am 24.8.1998, sechs Tage vor ihrer Eheschließung, schlossen die am 6.5.1941 geborene Klägerin und der am 5.10.1938 geborene Erblasser einen notariellen Ehe- und Erbvertrag. Sie vereinbarten Gütertrennung, wobei sie nach dem Text der notariellen Urkunde u.a. darüber belehrt wurden, dass "sich die gesetzlichen Erbquoten und die Pflichtteilsquoten ändern". Der Erblasser setzte die Beklagte, seine Tochter aus erster Ehe, zu seiner Alleinerbin ein und vermachte der Klägerin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an allen Räumen der in seinem Haus, … straße in O., gelegenen Wohnung, das nicht übertragbar sein und im Fall einer Wiederheirat erlöschen sollte. Die Klägerin setzte ihre drei Kinder aus erster Ehe zu ihren Erben ein. Die Verfügungen sollten vertragsmäßige sein.
Mit Anwaltsschreiben ihrer Streithelferin vom 4.2.2019 schlug die Klägerin das Vermächtnis aus und verlangte den Pflichtteil. Sie hat im Wege der Stufenklage Auskunft über den Bestand des Nachlasses und pflichtteilsergänzungsrelevante Zuwendungen, Wertangaben zu allen angegebenen Positionen, die Einholung eines Wertgutachtens hinsichtlich des Grundstücks, … straße in O., eidesstattliche Versicherung und Zahlung verlangt.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin habe konkludent auf ihren Pflichtteil verzichtet.
Das LG hat die Stufenklage vollständig abgewiesen, weil die Klägerin auf den Pflichtteil verzichtet habe. Der Erblasser und die Klägerin hätten durch den Ehe- und Erbvertrag eine völlige Trennung der beiden Vermögensmassen auch für den Todesfall herbeiführen und erreichen wollen, dass ihre Vermögen möglichst ungeschmälert den eigenen Kindern zufielen. Die Vermächtnisanordnung zugunsten der Klägerin spreche dafür, dass der Erblasser und die Klägerin weitere gesetzliche Korrekturen hätten ausschließen wollen.
Die Klägerin und ihre Streithelferin treten dem entgegen. Einem stillschweigenden Pflichtteilsverzicht stehe das Formerfordernis des § 2348 BGB entgegen. Aus der notariellen Urkunde ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Verzichtserklärung, die Klägerin habe auch keinen Verzichtswillen gehabt.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 26.9.2018 in O. verstorbenen H. V. zum Stichtag 26.9.2018 zu erteilen durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, welches folgende Punkte umfasst:
a. Bargeld
b. Bankgirokonten, Sparkonten, Festgeldkonten, sonstige Konten
c. Forderungen aller Art
d. Wertpapiere, Aktien, auch in Depots
e. Anteile an Immobilienfonds
f. Immobilieneigentum
g. Investmentanteile aller Art
h. Kapitallebensversicherungen und Rentenversicherungen mit gewähltem Kapitalwahlrecht
i. Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden)
j. alle pflichtteilsergänzungsrelevanten Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat – ohne zeitliche Begrenzung auch über einen 10-Jahres-Zeitraum hinweg, sowie den Wert der Immobilie … straße in O. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu ermitteln;
im Übrigen (wegen des weitergehenden Wertermittlungsantrags sowie wegen des Antrags auf eidesstattliche Versicherung und Zahlung des Pflichtteils) das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist weitgehend begründet.
1.
Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Vorlage eines Bestandsverzeichnisses aus § 2314 Abs. 1 BGB.
Die Klägerin hat als enterbte Ehefrau, die das ihr zugedachte Vermächtnis gem. § 2180 BGB wirksam ausgeschlagen hat, dem Grunde nach einen Pflichtteilsanspruch aus §§ 2307 Abs. 1 S. 1, 2303 BGB. Dass sie gem. § 2346 Abs. 2 BGB auf ihr Pflichtteilsrecht verzichtet hätte, kann nicht festgestellt werden.
a)
Eine ausdrückliche, den Formerfordernissen der §§ 2347 Abs. 2 S. 1, 2348 BGB entsprechende Erklärung, aus der sich dies ergäbe, hat sie weder in dem Ehe- und Erbvertrag vom 24.8.1998 noch in einer anderen notariellen Urkunde abgegeben.
b)
Dem Ehe- und Erbvertrag lässt sich ein wirksamer konkludenter Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nicht entnehmen.
aa)
Ob ein konkludenter Verzicht auf das Pflichtteilsrecht möglich ist, ist umstritten. Der BGH (BGH NJW 1977, 1728, juris-Rn 32; BGHZ 22, 364, juris-Rn 19) und der Senat (OLGR Düsseldorf 2000, 330, juris-Rn 60) haben dies in den jeweils von ihnen entschiedenen Fällen angenommen. Das ist in der Literatur auf Zustimmung (Palandt/Weidlich, BGB, 80. Aufl., § 2348 Rn 3; BeckOGK-BGB/Everts, Stand 1.6.2021, § 2348 Rn 7.4; BeckOK-BGB/Litzenburger, 58. Ed., § 2346 Rn 9; Erman/Simon, BGB, 16. Aufl., § 2348 Rn 1; Burandt/Rojahn/Große-Boymann, Erbrecht, 3. Aufl., § 2346 BGB Rn 6; Damrau/Tanck/Kurze, Erbrecht, 4. Aufl., § 2348 Rn 9; Krug/Kurze, Pflichtte...