§ 58 Nr. 6 AO regelt mit dem sog. Stifterdrittel eine besondere Ausnahme für gemeinnützige Stiftungen. Danach dürfen Stiftungen im Unterschied zu anderen Körperschaften einen Teil ihres Einkommens – höchstens ein Drittel – dazu verwenden, um in angemessener Weise den Stifter und seine nächsten Angehörigen zu unterhalten, ihre Gräber zu pflegen und ihr Andenken zu ehren, ohne ihren gemeinnützigen Status zu verlieren. Durch die gemeinnützigkeitsunschädliche Absicherungsmöglichkeit des Stifters und seiner nahen Angehörigen soll ein Anreiz geschaffen werden, statt einer privatnützigen eine gemeinnützige Familienstiftung zu errichten. Es handelt sich um keinen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck. § 58 Nr. 6 AO besagt nur, dass die Verwendung des Einkommens zugunsten des Stifters oder seiner Angehörigen nicht gegen das Mitteverwendungsverbot (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 AO) verstößt, solange die Versorgungsleistungen die Ein-Drittel-Höchstgrenze nicht übersteigen.
Unterhalt, Grabpflege und Ehrung des Andenkens müssen sich in angemessenem Rahmen halten. Zu den nächsten Angehörigen gehören
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Ehegatten, |
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Lebenspartner, |
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Eltern, |
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Großeltern, |
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Kinder, |
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Enkel (auch falls durch Adoption verbunden), |
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Geschwister, |
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Pflegeeltern und |
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Pflegekinder. |
Maßstab für die Angemessenheit des Stifterdrittels ist der Lebensstandard des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der ursprünglichen Vermögensausstattung der Stiftung. Etwaige Zuwendungen der Stiftung sollen den Stifter und seine nächsten Angehörigen in die Lage versetzen, das Leben in der Weise zu führen, als wenn das Vermögen nicht auf die Stiftung übertragen worden wäre. Hierbei handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls. Können Stifter bzw. nächste Angehörige diesen Lebensstandard nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen bestreiten, so besteht ein Unterhaltsbedarf; die Stiftung kann dann nach § 58 Nr. 6 AO Sach-, Dienst- oder Geldleistungen erbringen, soweit sie für einen geordneten Lebensbedarf erforderlich sind. Nicht zulässig ist dagegen die Ausschüttung von Stiftungsmitteln mit dem Ziel, dem Begünstigten einen Vermögensaufbau zu ermöglichen.
Werden nach Prüfung der Angemessenheit Unterhaltsleistungen geleistet, sind sie bei dem Empfänger nach § 22 Nr. 1 S. 2 Buchst. a EStG nach dem progressiven Einkommensteuertarif zu versteuern, da es sich um Bezüge handelt, die von einer Stiftung freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt werden. Es handelt sich nicht um Einkünfte Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG, da die Vorschrift nur auf nicht gemeinnützige Stiftungen anwendbar ist, weshalb auch kein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen ist. Das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. i EStG) ist aus demselben Grund nicht anzuwenden, sodass die Stiftungsleistungen beim Empfänger in voller Höhe zu versteuern sind.
Hinweis
Die Gewährung von Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 6 AO darf nicht als Satzungszweck formuliert sein, da der (ausnahmsweise) Unterhalt des Stifters bzw. seiner nächsten Angehörigen keinen eigenständigen steuerbegünstigten Zweck bildet. Es wird aber durch die Finanzbehörden im Regelfall nicht beanstandet, wenn entsprechende Regelungen in die Satzung aufgenommen werden, da dies nicht nur den Zweck hat, der formelle Satzungsmäßigkeit zu genügen, sondern auch dazu dient, die Organisation der Stiftung und die Befugnisse ihrer Organe festzulegen. Sofern die Möglichkeit eingeräumt werden soll, dass die Stiftung Mittel für Leistungen i.S.d. § 58 Nr. 6 AO verwenden darf, sind Formulierungen praxisüblich wie z.B. "Die Stiftung kann …", "Die Stiftung darf …" oder "Der Stiftung ist es erlaubt, …". Ein Rechtsanspruch auf die Unterstützungsleistungen darf nicht bestehen. Andernfalls kann die Stiftung nicht als gemeinnützig anerkannt werden.
Leistungen mit Ausschüttungscharakter, z.B. in Höhe eines Prozentsatzes des Einkommens einer gemeinnützigen Stiftung, können nicht mit Verweis auf § 58 Nr. 6 AO gerechtfertigt werden und sind daher gemeinnützigkeitsrechtlich unzulässig. Entsprechend ist das Stifterdrittel auch kein geeignetes Mittel, um eine dauerhafte Versorgung des Stifters oder seiner Angehörigen sicherzustellen. Wenn der Stifter eine dauerhafte Versorgung mit regelmäßigen Zahlungen beabsichtigt, empfiehlt sich – alternativ zu dem Stifterdrittel – z.B. eine Vermögensübertragung unter einer Auflage oder Vorbehalt eines Nießbrauchs.