I. Am 5.6.2019 verstarb an ihrem letzten Wohnsitz in S. Frau Irene W. (im Folgenden: Erblasserin). Das Nachlassgericht erteilte einen Erbschein, der ihre Schwester Margareta L. als Miterbin zu einem Viertel ausweist. Margareta L. verstarb am 9.12.2019 in Polen. Bezüglich der Erbfolge nach ihr wurde von einem ihrer Neffen bei der antragstellenden polnischen Notarin (im Folgenden: Beteiligte) ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden: ENZ) beantragt. Die Beteiligte hat in der Folge beim Nachlassgericht eine Bescheinigung über eine Entscheidung in einer Erbsache nach Art. 66 Abs. 5, Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl Nr. L 201, 107; im Folgenden: EuErbVO), Anhang 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9.12.2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EuErbVO (ABl Nr. L 359, 30; im Folgenden: DurchführungsVO) zum Erbschein nach der Erblasserin beantragt.

Ihr Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde der Beteiligten.

II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts – soweit für die Rechtsbeschwerdeinstanz noch von Bedeutung – ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerde richte sich nicht nach §§ 58 ff. FamFG, sondern es handele sich um eine sofortige Beschwerde gem. §§ 567 ff. ZPO, modifiziert durch §§ 10 f. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz (im Folgenden: IntErbRVG). Die Beschwerde sei in der Sache zurückzuweisen, weil die Beteiligte nicht antragsberechtigt sei. Sie sei nicht Partei bzw. Beteiligte des Verfahrens oder deren Vertreter, sondern werde als für die Erteilung eines ENZ zuständige polnische Behörde tätig, welche die beantragte Bescheinigung für die Erfüllung ihrer Amtsgeschäfte benötige. Aus Art. 47 EuErbVO folge, dass die Bescheinigung vom Antragsteller des Anerkennungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedsstaat vorzulegen sei. Das sei jedenfalls nicht das für das dortige Verfahren zuständige Gericht bzw. die dort sonst befugte Stelle. Auch aus dem Recht der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich nicht, dass das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedsstaats im eigenen Namen die Erteilung der Bescheinigung beantragen dürfe. Aus Art. 66 EuErbVO folge ebenfalls nichts anderes. Ob die beantragte Bescheinigung gem. Formblatt 1 oder nicht eher nach Formblatt 2 zur DurchführungsVO zu erteilen wäre, könne offenbleiben.

III. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

a) Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht insgesamt statthaft.

aa) Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nur eröffnet, wenn zuvor die eingelegte Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. War die Beschwerde unstatthaft, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die Statthaftigkeit der Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsbeschl. v. 14.9.2022 – IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38 Rn 13 m.w.N.).

bb) Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde eröffnet.

(1) Dahinstehen kann hier, ob gegen die Entscheidung des AG – entsprechend dem mit § 58 Abs. 1 FamFG und § 64 Abs. 1 S. 1 FamFG übereinstimmenden Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung im Zurückweisungsbeschluss und dem Verweis auf § 68 FamFG im Nichtabhilfebeschluss – die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG oder, wie es das Beschwerdegericht angenommen hat, die sofortige Beschwerde gem. §§ 567 ff. ZPO statthaft war. Nach dem sog. Grundsatz der Meistbegünstigung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre (vgl. BGH, Beschl. v. 28.2.2018 – XII ZR 87/17, NJW-RR 2018, 451 Rn 13 m.w.N.). Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und des danach gegebenen Rechtsmittels geschehen wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 14.9.2022 – IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38...

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