a. Digitales Testieren im Ausland
Ein digitales Testament ist dem BGB noch fremd. Gleichwohl kann ein im Ausland wirksam errichtetes digitales Testament Wirkungen in Deutschland entfalten. Digitales Testieren ist in einigen US-Bundesstaaten möglich. So kann in Nevada ein digitales Testament in einer elektronischen Akte errichtet werden. Es muss datiert und mit einer elektronischen Unterschrift sowie mit einem für den Erblasser einzigartigen Authentifizierungsmerkmal (z.B. Fingerabdruck, Netzhautscan oder Gesichtserkennung) versehen werden. Darüber hinaus bedarf es einer elektronischen Signatur eines Notars oder von zwei Zeugen. Die Zeugen können auch mittels Audio-Video-Kommunikation mit dem Testator in Kontakt stehen. Ähnliches ist auch in Indiana und Arizona möglich. In New York wurde anlässlich der Coronapandemie die Möglichkeit der Errichtung eines Testaments unter Verwendung der Audio-Video-Technologien geschaffen. In Kanada (British Columbia) ist aufgrund des Gesetzes über Testamente, Nachlässe und Erbfolge (Wills, Estates and Succession Act) die Erstellung elektronischer Testamente sowie die Fernbezeugung und digitale Unterzeichnung von Testamenten möglich. Danach ist die Schriftlichkeit erfüllt, wenn das Testament in elektronischer Form vorliegt. "Elektronische Form" ist eine Form, die (1)’elektronisch aufgezeichnet oder gespeichert wird, (2) von einer Person gelesen werden und (3) in sichtbarer Form reproduziert werden kann. Für die Anwesenheit einer Person bei Testamentserrichtung, z.B. der Zeugen, genügt nun eine "elektronische Präsenz". Diese liegt vor, wenn zwei oder mehr Personen an verschiedenen Orten "gleichzeitig in einem Umfang kommunizieren, der der Kommunikation entspricht, die stattfinden würde, wenn alle Personen physisch am selben Ort anwesend wären". Ein elektronisches Testament kann dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser die elektronische Version mit der Absicht des Widerrufs löscht oder eine Papierversion des Testaments ganz oder teilweise in Gegenwart eines Zeugen vernichtet. Eine versehentliche Löschung einer oder mehrerer elektronischer Versionen eines Testaments oder eines Teils davon erbringt dagegen keinen Beweis für die Absicht, das Testament zu widerrufen.
b. Anerkennung digitaler Testamente
Was die Anerkennung der Testamentsform in Deutschland anbelangt, ist die EuErbVO maßgeblich. Nach Art. 20 EuErbVO ist das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist, sog. universelle Anwendung. Art. 27 EuErbVO bestimmt, dass eine schriftliche Verfügung von Todes wegen hinsichtlich ihrer Form wirksam ist, wenn diese dem Recht des Staats entspricht, in dem die Verfügung errichtet wurde. Dem Erfordernis "schriftlich" wird auch durch E-Mails oder Dateien auf Datenträgern Genüge getan. Rück- und Weiterverweisungen durch die in Art. 27 EuErbVO genannten Rechtsordnungen sind nicht zu beachten, Art.34 Abs. 2 EuErbVO.
Zwar sieht Erwägungsgrund 52 der EuErbVO einen Missbrauchsvorbehalt vor:
Zitat
Diese Verordnung sollte die Formgültigkeit aller schriftlichen Verfügungen von Todes wegen durch Vorschriften regeln, die mit denen des Haager Übereinkommens vom 5.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht in Einklang stehen. Bei der Bestimmung der Formgültigkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dieser Verordnung sollte die zuständige Behörde ein betrügerisch geschaffenes grenzüberschreitendes Element, mit dem die Vorschriften über die Formgültigkeit umgangen werden sollen, nicht berücksichtigen.
Diese Einschränkung kann jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen eingreifen, da der Europäische Gesetzgeber im Interesse des favor testamenti gerade ganz bewusst sämtliche Anknüpfungsmomente alternativ zur Verfügung stellen will.