Leitsatz
1. Entrichtet der Schenker die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese auch mit Wirkung gegenüber dem Bedachten als weiteren Gesamtschuldner und kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden.
2. Ein Schenkungsteuerbescheid ist nichtig, wenn ihm auch nach verständiger Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit die’Höhe der festgesetzten Schenkungsteuer entnommen werden kann.
BFH, Urt. v. 8.11.2023 – II R 22/20
1 Gründe
I.
Der Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) war zu 15 % als geschäftsführender und zur alleinigen Vertretung berechtigter Gesellschafter an verschiedenen Personen- und Kapitalgesellschaften (eine KG, zwei GmbHs, eine GbR) beteiligt. Mit notariell beurkundetem Vertrag schenkte er dem Kläger eine Beteiligung von 6,5 % an diesen vier Gesellschaften. Der Kläger war zum damaligen Zeitpunkt als Minderjähriger durch einen Ergänzungspfleger vertreten. Der Vater behielt sich das lebenslange Nießbrauchrecht vor. In dessen Rahmen erteilte der beschenkte Kläger dem Vater als Nießbrauchberechtigtem die nur aus wichtigem Grund widerrufliche Vollmacht, für ihn das Stimmrecht bei Gesellschafterversammlungen auszuüben, solange der Nießbrauch für den Vater bestand. Der Vater übernahm im Vertrag eine etwaig anfallende Schenkungsteuer.
Mit Bescheid vom 9.10.2009 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) erklärungsgemäß Schenkungsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei gewährte das FA die Vergünstigungen des § 13a ErbStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (ErbStG a.F.) sowohl für die KG-Beteiligung als auch für die GmbH-Beteiligungen. Der Bescheid erging "für Herrn [Vater] als Träger der Schenkungsteuer für Herrn [Kläger]". Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt. Der Vater zahlte die fällige Steuer fristgerecht.
Mit Bescheid vom 26.10.2010 setzte das FA erneut Schenkungsteuer fest. Dabei gewährte es die Vergünstigungen des § 13a ErbStG a.F. nur noch für die GmbH-Beteiligungen. Hinsichtlich der Übertragung der KG-Beteiligung sei die Begünstigung nicht zu gewähren, da der Kläger nicht Mitunternehmer geworden sei. Der Bescheid erging "für Herrn [Vater] als gesetzlicher Vertreter von Herrn [Kläger]". Im einleitenden Text heißt es wörtlich: "Der Bescheid ändert den Bescheid vom 9.10.2009 gemäß – § 164 ABS. 2 AO."
In der Abrechnung, auf die der Bescheid auch Bezug nahm, erging eine Zahlungsaufforderung über 3.333.507 EUR (abzurechnen sind 10.031.640 EUR, bereits getilgt 6.698.133 EUR). Der Vater zahlte erneut den fälligen Betrag. Der Bescheid wurde durch die damalige bevollmächtigte Kanzlei mit dem Einspruch angefochten.
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ergingen am 16.12.2013 und am 3.2.2014 weitere Änderungsbescheide. Mit Schreiben vom 21.1.2016 teilte das FA mit, es beabsichtige eine Verböserung insoweit, als auch die Verschonung für die GmbH-Beteiligungen nicht mehr gewährt werden solle (Beteiligung nur zu 15 % statt der geforderten 25 %). Mit Einspruchsentscheidung vom 5.1.2017 über "den Einspruch vom 23.11.2010 des [Vaters]" gewährte das FA die Verschonung auch für die GmbH-Beteiligungen nicht mehr und setzte die Steuer entsprechend herauf.
Sowohl der Vater als auch der Kläger erhoben Klage. Sie trugen vor, die Bescheide vom 26.10.2010, 16.12.2013 und 3.2.2014 hätten den gegenüber dem Vater ergangenen Bescheid vom 9.10.2009 nicht geändert, da sie nicht an den Vater, sondern nur an den Kläger gerichtet gewesen seien. In der Sache machten sie weiter geltend, der Kläger sei Mitunternehmer der KG geworden, sodass die Verschonung insoweit zu gewähren sei. Das Verfahren des Vaters wurde nach Aufhebung der gegen ihn gerichteten Einspruchsentscheidung vom 5.1.2017 abgetrennt und erledigt. Das FA erließ am 19.1.2018 eine erneute Einspruchsentscheidung.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit welcher der Kläger die Aufhebung sämtlicher Bescheide und der Einspruchsentscheidung begehrte, ab. Die Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Bescheid vom 26.10.2010 könne in einen Erstbescheid gegen den Kläger umgedeutet werden. Das FA habe in einer geänderten Einspruchsentscheidung vom 19.1.2018 die erforderliche Begründung nachgeholt und zu erkennen gegeben, weshalb der Kläger statt des Vaters in Anspruch genommen worden sei. Die Verschonung nach § 13a ErbStG a.F. für die KG-Beteiligung sei nicht möglich, da der Kläger mangels Mitunternehmerinitiative und auch mangels Mitunternehmerrisikos nicht Mitunternehmer der KG geworden sei.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
Mit Gerichtsbescheid vom 23.11.2022 hob der Senat alle gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheide auf. Die drei Änderungsbescheide könnten nicht in einen Erstbescheid gegenüber dem Kläger umgedeutet werden, weil diese Bescheide auch als Erstbescheide rechtswidrig gewesen wären. Beim ersten Bescheid habe das FA sein Ermessen bezüglich der Inanspruchnahme mehrerer Gesamtschuldner nicht ausgeübt. Bei den übrigen Bescheiden habe es nicht berücksichtigt, ...