Prof. Dr. Werner Zimmermann
Einzelne Probleme der Übertragung des Nachlassverfahrens auf Notare
a) Zuständigkeit
Die örtliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts bestimmt sich grundsätzlich nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers (§ 73 Abs. 1 FGG). Wohnte der Erblasser in München, ist also das AG München zuständig. Tritt dagegen das Notariat an die Stelle des Nachlassgerichts, sind mehrere Dutzend Notare in München örtlich zuständig; es kommt dann § 4 FGG zum Zug: unter den vielen Notaren bleibt derjenige zuständig, der "zuerst in der Sache tätig geworden ist". Bei einem unklaren Testament und mehreren Erbaspiranten ist ein Antragsteller also gut beraten, wenn er baldigst tätig wird und, falls der zuerst angegangene Notar im Vorgespräch seiner Testamentsauslegung nicht zuneigt, sofort zum nächsten Notar geht (im internationalen Privatrecht spricht man von "forum shopping").
Die mehrfache Zuständigkeit kann auch zu widersprüchlichen Erbscheinen führen, deren Gutglaubensfunktionen sich dann aufheben. Hat der Erbanwärter A ein Testament, das ihn als Erben ausweist, und der Erbanwärter B ebenfalls ein Testament, das ihn als Erben ausweist, und geht jeder zu einem anderen Notar, werden möglicherweise zwei gegensätzliche Erbscheine erteilt.
Es sind deshalb ergänzende (bundesrechtliche) Regelungen zur Zuständigkeit erforderlich.
3.2 b)
Instanzenzug
Der Notar wäre nach der Neuregelung Nachlassgericht erster Instanz. Die Beschwerde gegen seine Entscheidungen führt daher nicht zum Amtsrichter, sondern zum Landgericht (Zivilkammer), § 19 FGG (ähnlich wie jetzt bei den Notarkostenbeschwerden des § 156 KostO). Die weitere Beschwerde geht wie bisher zum OLG. Wenn das FamFG Gesetz werden sollte, führt die Beschwerde zum OLG und die Rechtsbeschwerde zum BGH (das Landgericht ist also ausgespart, das OLG wird von der 3. zur 2. Instanz herabgestuft).
3.3 c)
Ausschluss, Befangenheit des Notars
Wenn der Notar als Nachlassrichter tätig wird, gelten für ihn die Bestimmungen des FGG, also § 5 FGG (Ausschließung) und analog die §§ 42 ff ZPO (Befangenheit). Hat der Notar selbst eine letztwillige Verfügung beurkundet und stirbt der Erblasser, fragt sich, ob der Notar in der folgenden Erbscheinsverhandlung das unklare Testament nun selbst auslegen darf. Liegt die Zuständigkeit beim Nachlassgericht, ist der Notar Zeuge hinsichtlich der Äußerungen des Erblassers bei der Beurkundung. Als selbst Beteiligter im Sinne von § 6 I FGG wird der Notar nicht gelten können; seine Zeugenstellung schließt ihn nur vom Nachlassrichteramt aus, wenn er schon als Zeuge vernommen ist (§ 41 Nr. 5 ZPO analog). Somit bleiben zwei Lösungen:
3.3.1 (1)
Der Notar verwertet "privates Wissen", wenn er seine Erinnerung an die Äußerungen des Erblassers bei der Testamentsauslegung verwertet; das ist nur beschränkt möglich. Denn es besteht die Gefahr, dass in die Entscheidung vorher nicht offengelegte Elemente einfließen, die dem Nachlassrichter nur aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit als Notar zugänglich sind, der Richter sich also selbst als Beweismittel benutzt.
3.3.2 (2)
Der als Nachlassrichter handelnde Notar kann wegen Befangenheit abgelehnt werden. Hat der Notar in seiner Funktion als Nachlassrichter einen Vertrag auszulegen, den er selbst früher beurkundet hat, so kann dies die Ablehnung des Nachlassrichters wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, weil Zweifel an der Unvoreingenommenheit bestehen. Möglicherweise hat der Notar früher bei der Beratung und Beurkundung des Testaments oder Erbvertrags Fehler gemacht und würde jetzt anderen Beteiligten haften. Der Notar/Nachlassrichter befindet sich also in einem Interessenkonflikt und kann nicht mehr in jeder Hinsicht unvoreingenommen entscheiden.
d) Konfliktlage Richter und zugleich Geschäftsmann
Funktionsvermengungen müssen soweit wie möglich vermieden werden. Der Notar berät, beurkundet, beglaubigt; er ist kein Streitentscheider. Der Richter verdient an den Parteien nichts. Was würde die Öffentlichkeit (und die Gegenpartei) sagen, wenn ein Richter im Gerichtsgebäude zugleich eine Pension für auswärtige Anwälte betreiben würde ?
Der Notar wird in § 1 BNotO zwar als unabhängiger Träger eines öffentlichen Amtes bezeichnet. Tatsächlich aber ist der Notar zugleich Geschäftsmann, weil er aus den erwirtschafteten Gebühren (KostO) sein Einkommen bezieht, nicht aber (wie ein Richter) vom Staat besoldet wird. Dem Richter kann das Wohlwollen der Partei gleichgültig sein, dem Notar nicht. Der Anwaltsnotar schließlich hat eine merkwürdige Doppelstellung: Als Anwalt ist er Parteivertreter, als Notar unabhängig und nicht Vertreter einer Partei (§ 14 BNotO); als Notar rechnet er nach der KostO ab, als Anwalt nach dem RVG. Ist der Nurnotar oder Anwaltsnotar zugleich Nachlassrichter, soll er sogar zwei oder drei gegensätzliche Stellungen in sich vereinigen, ein kaum zu lösender Spagat.
Lässt der Vorstand der örtlichen Sparkasse laufend die Grundschulden beim selben Notar beurkunden und tritt er da...