Prof. Dr. Werner Zimmermann
2.2.1 aa)
Es gibt in Deutschland historisch bedingt verschiedene Notariatsverfassungen: (1) In Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Thüringen und Bayern gibt es ausschließlich Nurnotare. (2) In Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es ausschließlich Anwaltsnotare. (3) In Nordrhein-Westfalen gibt es in bestimmten Bezirken Nurnotare, in anderen Bezirken Anwaltsnotare. (4) In Baden-Württemberg ist die Lage verwirrend: Je nach Region gibt es hauptberufliche Notare, Anwaltsnotare, beamtete Notare (Bezirksnotare) oder Amtsnotare. Die Bezirksnotare und Amtsnotare sind dort auch als Nachlassrichter tätig.
Die geplante Regelung (Notar als Nachlassrichter) lehnt sich offenbar an die Rechtslage in Baden-Württemberg an. Allerdings ist in Baden-Württemberg die Problematik der Zuständigkeitsvermengung inzwischen erkannt worden; die Regierungsfraktionen von Baden-Württemberg (CDU und FDP) sind sich einig, dass bis zum Jahr 2018 das beamtete Notariat in ein freiberufliches Nurnotariat überführt werden soll. Am 18. Dezember hat die Landesregierung Baden-Württemberg einen Beschluss gefasst, dass verbeamtete Notare in Baden-Württemberg insgesamt abgeschafft werden sollen.
2.2.2 bb)
Die Notare verdienen durch die Übertragung der Aufgaben unter mehreren Aspekten: Sie nehmen die Kosten (Gebühren und Auslagen) nach der KostO ein, die bisher an die Staatskasse geflossen sind. Im Zusammenhang mit dem Erbfall können die Beteiligten zu Beurkundungen veranlasst werden (bei unklaren Testamenten kann man die Beteiligten veranlassen, einen notariellen Auslegungsvertrag zu schließen; die Beteiligten können angeregt werden, für ihren eigenen künftigen Erbfall durch ein notarielles Testament vorzusorgen, für die Zeit vor dem Tod durch eine notarielle Vorsorgevollmacht). Außerdem wird die "Schwellenangst" überwunden: Wer einmal beim Notar war, hat weniger Hemmungen, dort künftig "arbeiten zu lassen".
2.2.3 cc)
Nachlassgerichte sind auch "Arbeitgeber" im weiteren Sinn: In seltenen Fällen ernennen sie selbst Testamentsvollstrecker (§ 2200 BGB); häufig ordnen sie Nachlasspflegschaft an und bestellen Nachlasspfleger (§§ 1960, 1961 BGB). Diese Bestellungen würden künftig die Notare vornehmen, mit allen Vorteilen, die einer hat, der einem anderen eine Tätigkeit (die manchmal sehr gut bezahlt wird) zuteilen kann. Wohl kein von einem Notar bestellter Nachlasspfleger wird es wagen, bei der Veräußerung des Nachlassgrundstücks einen anderen Notar mit der Beurkundung zu beauftragen. Anwälte, die häufig mit einem bestimmten Notar zusammenarbeiten, werden dort um Zuweisung von Nachlasspflegschaften nachsuchen und das wird man kaum ablehnen können.
2.2.4 dd)
Nach §§ 3 Nr. 2 c, 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG ist grundsätzlich der Richter zuständig für die Erbscheine aufgrund Testaments bzw. Erbvertrags, der Rechtspfleger für die Erbscheine aufgrund Gesetzes. Unklar ist, ob der Notar künftig auch die Erbscheine selbst erteilt, die bei den Nachlassgerichten in den Zuständigkeitsbereich des Rechtspflegers fallen oder wer im Notariat hierfür zuständig ist. Während Richter und Rechtspfleger keine Hilfskräfte für die Entscheidungsfindung haben, haben Notare Sachbearbeiter, die ihre Urkunden weitgehend selbstständig vorbereiten; ein solches Verfahren wäre in Erbscheinssachen unangebracht.