Leitsatz
1. Für veruntreuende Verfügungen eines Testamentsvollstreckers über ein Konto des Erben haftet eine Bank nur, wenn massive Verdachtsmomente vorliegen.
2. § 2205 Satz 3 BGB erfordert eine unmittelbare Einwirkung auf das Vermögen des Erben. Gegenüber einer kontoführenden Bank ist die Vorschrift daher nicht anwendbar, wenn der Testamentsvollstrecker auf das Guthaben des Erben zugreift.
OLG Koblenz, Beschluss vom 28. April 2008 – 5 U 27/08
Sachverhalt
Die Entscheidung ergeht gem. den §§ 522 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. (...)
Die Klägerinnen sind Erbinnen ihrer am 20.11.2002 verstorbenen Stiefmutter. Der Nachlass unterlag der Testamentsvollstreckung des Steuerberaters D.; darüber wurde am 5.12.2002 ein amtsgerichtliches Zeugnis erteilt.
In der Folge griff D. auf Teile des Nachlasses zu. So löste er bei der Beklagten und bei der Postbank unterhaltene Konten und bei der Deka-Bank geführte Depots auf. Den Gegenwert brachte er – mit Überweisungen oder auch Bartransfers – weithin einem bei der Beklagten für den Nachlass eröffneten Treuhandkonto gut; verschiedene Beträge verwandte er auch zu seinen Gunsten. Die Klägerinnen haben unbestritten vorgetragen, dass D. auf diese Weise über insgesamt 244.468,59 EUR disponierte, davon dann aber nur 70.474,32 EUR in ihrem Interesse eingesetzt und sich im Zeitablauf persönlich an der Differenz bereichert habe, sodass das Treuhandkonto schließlich erschöpft gewesen sei.
Vor diesem Hintergrund haben die Klägerinnen die beklagte Sparkasse im vorliegenden Rechtsstreit auf Ersatz in Anspruch genommen: Die ihr gegenüber vorgenommenen Rechtshandlungen D.s und dabei namentlich fortlaufende eigennützige Abverfügungen von dem Treuhandkonto seien wegen Missbrauchs der Amtsstellung rechtsungültig gewesen. Außerdem habe die Beklagte ihnen gegenüber bestehende Kontroll- und Hinweispflichten verletzt.
Das erstinstanzliche Klageverlangen ist in erster Linie auf die Verurteilung des Beklagten zu einer Zahlung von 187.082,93 EUR (= Nachlassschaden von 244.468,59 EUR abzgl. 70.474,32 EUR zzgl. Rechtsverfolgungskosten von 13.088,66 EUR) nebst Zinsen gerichtet gewesen; ersatzweise wurden 136.010 EUR als die Summe der Barabhebungen und Eigenüberweisungen D.s zulasten des Treuhandkontos sowie 22.850 EUR wegen eines eigennützigen Zugriffs auf die Depots bei der Deka-Bank geltend gemacht. Das LG hat das Begehren abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerinnen. (...)
Aus den Gründen
Damit vermögen die Klägerinnen nicht durchzudringen. Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Für die Annahme einer vorsätzlichen, strafrechtlich erheblichen Schädigung der Klägerin durch die Beklagte fehlt jedwede greifbare Grundlage. Ein derartiges deliktisches Verhalten der Beklagten wäre jedoch die Voraussetzung dafür, dass die Beklagte wegen der Dispositionen D.s über das Treuhandkonto (...) in Anspruch genommen werden kann, weil es sich dabei um ein – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 2041 BGB liegendes für D. geführtes Anderkonto handelte (BGH NJW 1968, 1471; LG Osnabrück WM 2007, 212, 213; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 164 Rn 14 a). Damit können weder die Bewegungen auf dem Treuhandkonto in ihrer Rechtswirksamkeit infrage gestellt noch Schadensersatzansprüche wegen eines Verstoßes gegen Schutzpflichten geltend gemacht werden.
Die Behauptung der Klägerinnen, sie selbst seien Kontoinhaberinnen gewesen, läuft den bindenden Feststellungen des LG und überdies dem erstinstanzlichen Klagevorbringen selbst zuwider.
B. Anders ist die Rechtslage freilich dort, wo eigene Konten oder Depots der Klägerinnen berührt wurden. Hier trat D. nicht als Rechtsinhaber, sondern lediglich stellvertretend für die Klägerinnen auf. Deshalb konnten Rechtshandlungen, die er ggü. der Beklagten vornahm, nach den – auf die Betätigung eines Testamentsvollstreckers entsprechend anwendbaren (BGH NJW-RR 1989, 642) – Regeln über den Missbrauch der Vertretungsmacht unwirksam sein. Voraussetzung einer Unwirksamkeit wäre jedoch, dass auf Seiten der Beklagten massive, evidente Verdachtsmomente bestanden hätten (BGH WM 1982, 548, 549; BGH WM 1994, 1204, 1206; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 167 Rn 14). Das ist indessen nicht zu ersehen, weil die Abhebungen und Überweisungen, die D. zulasten der von den Klägerinnen ererbten Konten in ihrem Haus vornahm, überwiegend den, – als Nachlasskonto deklarierten – Treuhandkonto zugute kamen. Insoweit haben die Klägerinnen selbst in der Klageschrift bemerkt, D. habe sich seiner Aufgabe als Testamentsvollstrecker gemäß verhalten, indem er den Transfer auf dieses Konto durchführte. Dass die Differenzbeträge veruntreut werden würden, lag nicht auf der Hand. Die Beklagte hatte keinen Einblick in die Nachlasssituation insgesamt.
Vor diesem Hintergrund war es auch nicht geboten (vgl. BGH WM 1976, 474 f; BGH WM 1984, 730, 731; BGH NJW 1987, 317, 318), die Klägerinnen zu warnen. Vielmehr wäre es umgekehrt deren Obliegenheit gewesen, die Beklagte aufmerksam zu machen, wenn sie selbst kein durch persönliche Erfahrungen fundiertes Vertrauen ...