Im ErbStG gibt es (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 für Erwerbe von Todes wegen bzw. § 7 Abs. 7 für lebzeitige Zuwendungen) zwei sog. "Sondertatbestände", mit denen das Ausscheiden eines Gesellschafters erfasst werden soll, der aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vorgaben bei seinem Ausscheiden weniger als den Steuerwert erhält. Steuerpflichtig ist dann die Differenz zwischen dem Steuerwert (bei Personengesellschaften ca. der Buchwert) und der darunter liegenden Abfindung. "Beschenkt" werden die verbleibenden Gesellschafter, die den Anteil übernehmen, und zwar von dem mit einer geringen Abfindung Ausscheidenden. Diese Sondertatbestände lassen es nicht zu, irgendwelche atypischen Umstände des Einzelfalles, subjektive Absichten, eine ungünstige Verhandlungslage des Ausscheidenden etc. zu berücksichtigen. Allein die Tatsache, dass die Abfindung zahlenmäßig unter dem Steuerwert der Beteiligung liegt, genügt für die Annahme eines nach dem ErbStG steuerpflichtigen Erwerbs.
Erfasst von den Tatbeständen werden alle möglichen gesellschaftsrechtlichen Vorgänge, etwa das Ausscheiden eines Gesellschafters mit Anwachsung seiner Beteiligung bei den übrigen, die gesellschaftsvertraglich vorgeschriebene Zwangsabtretung von Anteilen an einen oder mehrere Mitgesellschafter, die Ausschließung eines Gesellschafters oder die Einziehung von Geschäftsanteilen.
Lediglich eine frei ausgehandelte rechtsgeschäftliche Veräußerung an einen Außenstehenden kann niemals erfasst sein. Eine rechtsgeschäftliche Veräußerung an einen Mitgesellschafter kann evt. erfasst sein, jedenfalls dann, wenn sie in Einschränkung der Vertragsfreiheit aufgrund gesellschaftsvertraglicher Vorgabe, etwa zugunsten eines anderen Mitgliedes desselben Stammes zu einem von vornherein vorbestimmten und nicht frei ausgehandelten Preis geschieht. Rechtsprechung und Literatur zum Thema "Veräußerung an Mitgesellschafter" sind aber nicht eindeutig.
Die Finanzverwaltung will über den Gesetzeswortlaut hinaus nicht nur das dort genannte völlige Ausscheiden erfassen, sondern auch eine Verminderung der Beteiligung, um eine Umgehung der Vorschrift durch mehrere einander nachfolgende Teilübertragungen bis zum völligen Ausscheiden zu vermeiden.
Die beiden Vorschriften hatten bislang geringe Bedeutung, denn insbesondere bei Personengesellschaften würde eine Abfindung unter den Buchwert bei Ausscheiden im Zweifel schon von den Zivilgerichten als sittenwidrig verworfen und nicht mehr anerkannt werden. Wenn aber demnächst nach der Reform durch das Erbschaftsteuerreformgesetz die Steuerwerte den Verkehrswerten entsprechen, wird fast immer bei einer Abfindung für einen Ausscheidenden der Steuerwert unterschritten, denn eine Abfindung zum Verkehrswert soll ja regelmäßig gerade wegen drohender Auszehrung der Gesellschaft vermieden werden.
Folge wird sein, dass die den Ausscheidenden auskaufenden Gesellschafter auf die Differenz zwischen gezahlter Abfindung und Verkehrswert Schenkungsteuer zahlen. Die Schenkungsteuerschuld wird zwar dadurch gemindert, dass sie die Privilegierungen für betriebliches Vermögen bei einem Anteilsübergang auf alle Fälle außer der Einziehung von GmbH-Anteilen erhalten. D. h., der Bewertungsabschlag von 85 % greift und – unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis zum Ausscheidenden – werden sie in Steuerklasse I besteuert. Dennoch wird sofort eine "Reststeuer" anfallen; außerdem steht die günstige Besteuerung wegen Betriebsvermögenserleichterungen unter dem ggf. fünfzehnjährigen Nachsteuervorbehalt, wenn ein Übernehmer später selbst veräußert oder Entnahmen tätigt.
Weiter kann der Ausscheidende selbst, auch wenn er nicht den vollen Verkehrswert erlöst, nach einem Erbfall oder einer Schenkung einen Nachsteuertatbestand in der entsprechenden Frist auslösen und seine ihm vorher gewährten Steuerentlastungen etc. verlieren.
Um die Besteuerung der verbleibenden Gesellschafter an einem Beispiel zu zeigen, soll gelten: Der Verkehrswert der Gesellschaftsbeteiligung des Ausscheidenden beträgt 100, der Steuerwert derzeit 50, die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abfindung 70.
Nach geltendem Recht fällt bei einem die Beteiligung übernehmenden Gesellschafter keine Schenkungsteuer an, weil die Abfindung des Ausscheidenden mit 70 nicht unter dem Steuerwert von 50 liegt.
Nach zukünftigem Recht beträgt der Steuerwert (entsprechend dem Verkehrswert) 100. D. h., auf die Differenz (von 100 – 70 = 30, davon 15 % [bei 85 % Abschlag] = 4,5) muss ein erwerbender Gesellschafter Schenkungsteuer – tarifermäßigt in Steuerklasse I – zahlen, unterstellt zu 23 % (ab 6 Mio. EUR Erwerb ohne Freibeträge etc.), also letztendlich ca. 1 %.
Diese Schenkungsteuer kann nicht bei den Anschaffungskosten des entgeltlichen Erwerbs bei der Einkommensteuer des die Abfindung Zahlenden berücksichtigt werden, denn in Höhe der schenkungsteuerpflichtigen "Bereicherung" handelt es sich gerade nicht um einen entgeltlichen Erwerb, sondern um eine Schenkung. Diese Steuerbelastung erscheint noch eher gering.
Veräu...