Mit dem Erbfall entsteht der Pflichtteilsanspruch (§ 2317 Abs. 1 BGB). Hat der Erblasser einen pflichtteilsberechtigten (§ 2303 BGB) Bezieher von ALG II oder Sozialhilfe enterbt, drängt sich für diesen die Frage auf, ob er durch Erlassvertrag mit den Erben (§ 397 BGB) seinen Pflichtteilsanspruch zum Erlöschen bringen kann.
1. Gesetzlicher Übergang bzw. Überleitung auf den Leistungsträger
Bezieht der Pflichtteilsberechtigte bereits beim Erbfall ALG II, geht der Pflichtteilsanspruch mit dem Erbfall kraft Gesetzes und ohne dass eine Überleitungsanzeige erforderlich wäre, auf den Leistungsträger über (§ 33 Abs. 1 S. 1 SGB II). Ein Erlassvertrag zwischen dem Leistungsbezieher und dem Erben (§ 397 BGB) ist dann schon mangels Forderungsinhaberschaft und unabhängig von § 138 BGB unwirksam. Dem Leistungsträger kann regelmäßig nicht nach den §§ 407 Abs. 1, 412 BGB entgegengehalten werden, dass der Erbe (Zessionar) die Legalzession nicht kannte; der gesetzliche Forderungsübergang als Ausfluss des Nachranggrundsatzes ist den Beteiligten – zumal engen Familienangehörigen beim Erlass (§ 397 BGB) – zumindest laienhaft bekannt.
Demgegenüber findet bei der Sozialhilfe kein Übergang kraft Gesetzes statt. Vielmehr bewirkt erst die schriftliche Überleitungsanzeige, dass der Pflichtteilsanspruch auf den Träger in der Höhe der von ihm seit dem Erbfall erbrachten Sozialleistungen übergeht (§ 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Die in § 93 Abs. 2 SGB XII angeordnete Rückwirkung führt dazu, dass der Leistungsempfänger seine Forderungsinhaberschaft am entstandenen Pflichtteilsanspruch für die Zukunft, nicht jedoch rückwirkend verliert.
Weil auch unpfändbare Ansprüche auf den Leistungsträger übergehen (§ 33 Abs. 1 S. 2 SGB II, § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII), kann der Leistungsträger den Pflichtteils(ergänzungs)-anspruch auch dann durchsetzen, wenn die lediglich für andere Gläubiger geltenden einschränkenden Pfändungsvoraussetzungen des § 852 Abs. 1 ZPO (vertragliche Anerkennung oder Rechtshängigkeit) nicht gegeben sind (Privilegierung des Leistungsträgers).
2. Sittenwidrigkeit des Erlasses (§ 138 BGB) durch den Pflichtteilsberechtigten
Nach den vorstehenden Ausführungen wird ein etwaiger Erlassvertrag, den der Pflichtteilsberechtigte mit den Erben über den in seiner Person bereits entstandenen Pflichtteilsanspruch (§ 2317 Abs. 1 BGB) schließt (§ 397 BGB), häufig schon mangels Forderungsinhaberschaft scheitern, weil der Anspruch bereits auf den Leistungsträger übergegangen ist. Anders ist dies jedoch zum einen, wenn der Pflichtteilsberechtigte Sozialhilfe bezieht und den Erlass in einem Zeitpunkt abschließt, in dem der Leistungsträger den Pflichtteilsanspruch (§ 2317 Abs. 1 BGB) noch nicht auf sich übergeleitet hat. Zum anderen findet die für ALG II angeordnete Legalzession (§ 33 Abs. 1 SGB II) erst in dem Zeitpunkt statt, in dem der Pflichtteilsberechtigte Leistungen nach dem SGB II bezieht. Die Frage der Sittenwidrigkeit kann sich in letzteren Fällen nur stellen, wenn absehbar ist, dass der Pflichtteilsberechtigte ohne Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs auf ALG II angewiesen ist.
Der Erlassvertrag (§ 397 BGB) über die mit dem Erbfall bereits entstandene (§ 2317 Abs. 1 BGB) Pflichtteilsschuld wird in derartigen Fällen regelmäßig nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig sein (Handeln zulasten der Sozialträger). Insofern dürfte die BGH-Rechtsprechung zum Verzicht auf nachehelichen Unterhalt zulasten des Sozialträgers auch für den Verzicht auf den entstandenen Pflichtteil übertragbar sein. Sie nimmt Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) an, wenn der verzichtende Ehegatte und spätere Leistungsbezieher bereits bei Vertragschluss oder aufgrund des Verzichts seinen eigenen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen oder Vermögen nicht decken kann und staatlicher Sozialleistungen bedarf (objektiver Tatbestand). In subjektiver Hinsicht müssen sich die Beteiligten zudem des objektiven Tatbestandes bewusst gewesen sein oder diesen jedenfalls grob fahrlässig verkannt haben. Dieses subjektive Tatbestandsmerkmal vermutet die BGH-Rechtsprechung praktisch, sodass es mehr oder weniger keine Hürde darstellt. Nicht erf...