Kommt es nach der Benennung des Ehegatten als Bezugsberechtigtem zur Scheidung, so ist die Begünstigungserklärung auch nicht nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Eine direkte Anwendung des § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB scheitert schon daran, dass die Begünstigungserklärung ein Rechtsgeschäft unter Lebenden ist und nicht – wie § 2077 BGB voraussetzt – ein Rechtsgeschäft von Todes wegen.
In Betracht kommt daher allenfalls eine analoge Anwendung des § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Begünstigungserklärung. Zwar ist eine solche Analogie nicht schon durch eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ausgeschlossen, es fehlt aber an einer hinreichenden Vergleichbarkeit zwischen dem nicht geregelten Fall der Begünstigungserklärung und dem in § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB geregelten "Normalfall" eines Rechtsgeschäfts von Todes wegen.
a) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit (Kompetenzfrage)
Eine Analogie ist nach Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unzulässig, wenn der Gesetzgeber es bewusst abgelehnt hat, die nicht geregelte Fallgruppe der Rechtsfolge der Norm zu unterwerfen. Es handelt sich dann um ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes, das eine Analogie im Wege des Umkehrschlusses verbietet. Ob ein solches "beredtes Schweigen" vorliegt, lässt sich nur anhand der Materialien nachweisen.
Der historische Gesetzgeber des VVG von 1908 hatte zwar in den §§ 166 f VVG aF eine Regelung getroffen, die sich inhaltlich an die erbrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 2066 ff BGB anlehnte. Hieraus abzuleiten, dass er die Geltung einer dem § 2077 BGB entsprechenden Regel für die Begünstigungserklärung bewusst abgelehnt habe, findet indes in den Materialien zum VVG von 1908 keine Stütze. Der Reformgesetzgeber des Jahres 2008 hat die Regelungen der §§ 166 f VVG aF ohne vertiefte Überlegungen inhaltlich unverändert in den §§ 159 f VVG übernommen; auch er hat sich nicht bewusst gegen die Anwendung des § 2077 BGB auf die Begünstigungserklärung ausgesprochen.
b) Keine Rechtfertigung über den positiven Gleichheitssatz (Wertungsfrage)
Jede Analogie findet ihre Rechtfertigung im positiven Gleichheitssatz, der es gebietet, Gleiches gleich zu behandeln. Eine Analogie setzt daher voraus, dass sich die gesetzlich ausdrücklich geregelte Fallgruppe, in der die Norm ihrem Wortlaut gemäß Anwendung findet ("Vergleichsfallgruppe"), und die gesetzlich nicht geregelte Fallgruppe in allen wesentlichen Merkmalen gleichen, sodass eine vergleichbare Interessenlage gegeben ist. Der Fall der in § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht geregelten Begünstigungserklärung unterscheidet sich jedoch wesentlich von der Vergleichsfallgruppe eines Rechtsgeschäfts von Todes wegen, in der § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB direkte Anwendung findet:
aa) Lebensversicherer als Erklärungsempfänger
Die Begünstigungserklärung bestimmt darüber, an wen der Lebensversicherer die Versicherungssumme im Todesfall auszuzahlen hat. Anders als bei einem Rechtsgeschäft von Todes wegen gibt es folglich mit dem Lebensversicherer einen Erklärungsempfänger, der in die Wirksamkeit der Begünstigungserklärung vertraut. Würde man § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf die Begünstigungserklärung anwenden, so würde der Ex-Ehegatte mit dem Tod des Erblassers den Anspruch auf die Versicherungssumme nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB nicht erwerben, ohne dass dies für den Lebensversicherer, der von der Scheidung nichts weiß, erkennbar ist.
Dass der Lebensversicherer in die Wirksamkeit der Begünstigungserklärung vertraut, ist aber noch kein durchschlagendes Argument, um eine analoge Anwendung des § 2077 BGB abzulehnen: Zahlt der Lebensversi...