Die Begünstigungserklärung bestimmt darüber, an wen der Lebensversicherer die Versicherungssumme im Todesfall auszuzahlen hat. Anders als bei einem Rechtsgeschäft von Todes wegen gibt es folglich mit dem Lebensversicherer einen Erklärungsempfänger, der in die Wirksamkeit der Begünstigungserklärung vertraut. Würde man § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf die Begünstigungserklärung anwenden, so würde der Ex-Ehegatte mit dem Tod des Erblassers den Anspruch auf die Versicherungssumme nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB nicht erwerben, ohne dass dies für den Lebensversicherer, der von der Scheidung nichts weiß, erkennbar ist.
Dass der Lebensversicherer in die Wirksamkeit der Begünstigungserklärung vertraut, ist aber noch kein durchschlagendes Argument, um eine analoge Anwendung des § 2077 BGB abzulehnen: Zahlt der Lebensversicherer in dieser Konstellation die Versicherungssumme an den nicht berechtigten Ex-Ehegatten aus, so ist er nämlich vor einer weiteren Inanspruchnahme durch den berechtigten Erben hinreichend geschützt.
(1) Kein hinreichender Schutz durch § 808 Abs. 1 BGB
Ein hinreichender Schutz des Lebensversicherers vor einer doppelten Inanspruchnahme ergibt sich dabei allerdings nicht schon aus § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB: Zwar kommt der Lebensversicherer grundsätzlich in den Genuss der schuldbefreienden Wirkung des § 808 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn er sich das qualifizierte Legitimationspapier "Versicherungsschein" vorlegen lässt. Diese Wirkung entfällt aber ausnahmsweise dann, wenn dem Lebensversicherer die mangelnde Berechtigung des Inhabers positiv bekannt war oder er sonst gegen Treu und Glauben die Leistung bewirkt hat. Damit verbleibt für den Lebensversicherer ein "Restrisiko" einer doppelten Inanspruchnahme, das vor allem in Fällen praktisch relevant werden kann, in denen sich der Lebensversicherer nach § 166 Abs. 1 BGB die positive Kenntnis eines Mitarbeiters zurechnen lassen muss.
(2) Hinreichender Schutz durch § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog)
Zahlt der Lebensversicherer trotz Unwirksamkeit der Begünstigungserklärung die Versicherungssumme an den nicht berechtigten Ex-Ehegatten aus, so ergibt sich ein hinreichender Schutz vor einer doppelten Inanspruchnahme aber aus § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB:
§ 409 Abs. 1 Satz 1 BGB findet auf die Begünstigungserklärung analoge Anwendung: Zwischen dem gesetzlich geregelten Fall einer unwirksamen Abtretungsanzeige und dem nicht geregelten Fall einer unwirksamen Begünstigungserklärung besteht eine vergleichbare Interessenlage. In beiden Fällen beruht der gescheiterte Anspruchserwerb durch den Zessionar (nach § 398 BGB) bzw. durch den Dritten (nach §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB) darauf, dass eine Willenserklärung unwirksam ist, die aus der Sphäre des Altgläubigers (Zedent bzw. Versprechensempfänger) – und nicht aus der Sphäre des Schuldners – stammt. In beiden Fällen hat der Altgläubiger (durch die Abtretungsanzeige bzw. durch den Zugang der Begünstigungserklärung) beim Schuldner ein schutzwürdiges Vertrauen in die Wirksamkeit der Erklärung hervorgerufen.
Wendet man § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB analog auf die Begünstigungserklärung an, so wird der Lebensversicherer in größerem Maße geschützt als über § 808 Abs. 1 BGB: Anders als in den Fällen des § 808 Abs. 1 BGB – und im Übrigen auch anders als in den Fällen des § 407 Abs. 1 BGB – kommt der Schuldner (Lebensversicherer) auch dann in den Genuss der schuldbefreienden Wirkung, wenn er positive Kenntnis von der Unwirksamkeit der Abtretung bzw. – bei der analogen Anwendung des § 409 Abs. 1 Satz 1 BGB – positive Kenntnis von der Unwirksamkeit der Begünstigungserklärung nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) hat. Damit ist die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme für den Lebensversicherer vernachlässigbar gering.