Verstieße eine analoge Anwendung des § 2077 BGB auf die Begünstigungserklärung somit nicht gegen schutzwürdige Interessen des Lebensversicherers, so gilt anderes für die Interessen des Erblassers. Dieser hat die Zuwendung des Anspruchs an den Dritten nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB, d. h. die Zuwendung des Anspruchs durch einen Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall, nämlich gerade deshalb gewählt, um dem Dritten nach dem Tod einen schnellen Zugriff auf die Versicherungssumme zu ermöglichen:
Die Lebensversicherung dient regelmäßig (zumindest auch) der Versorgung von Hinterbliebenen. Für diese Personen kann aufgrund eines plötzlich eintretenden Todes des Erblassers ein akuter Versorgungsbedarf entstehen. Benennt der Erblasser den Hinterbliebenen als Bezugsberechtigten im Todesfall, so kann er dessen Bedarf an "schnellem Bargeld" dadurch befriedigen, dass der Dritte den Anspruch nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB mit dem Tod von selbst erwirbt (und danach gegen den Lebensversicherer durchsetzen kann), ohne in eine – unter Umständen langwierige – Nachlassauseinandersetzung nach den §§ 2042 ff BGB mit uneinigen Miterben eingebunden zu sein. Der Dritte soll folglich seinen Anspruch auf die Versicherungssumme in einem Prozess gegen den Lebensversicherer möglichst schnell durchsetzen können; ob er diesen Anspruch endgültig behalten darf, soll erst einem zweiten, unter Umständen länger dauernden (Rückforderungs-)Prozess des Erben gegen den Dritten vorbehalten sein.
Der vom Erblasser – für den Lebensversicherer nach den §§ 133, 157 BGB objektiv erkennbar – erstrebte Zweck einer schnellen Auszahlung an den Dritten wirkt sich auf die Auslegungsregeln aus, die auf die Begünstigungserklärung Anwendung finden: Ist dem Erblasser an einer schnellen Auszahlung an den benannten Dritten gelegen, so muss die Begünstigungserklärung möglichst einfachen Auslegungsregeln folgen, die für den Lebensversicherer wenig Zweifel an der Gläubigerstellung des Dritten lassen.
Würde man § 2077 BGB analog auf die Begünstigungserklärung anwenden, so ergäben sich für den Lebensversicherer bei Kenntnis der Scheidung regelmäßig Zweifel, ob die Begünstigungserklärung nach § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB (analog) unwirksam ist oder ob sie nach § 2077 Abs. 3 BGB (analog) wirksam ist. Der Lebensversicherer, der sich in diesem Fall ohne Fahrlässigkeit in Ungewissheit darüber befände, ob der Anspruch auf die Versicherungssumme mit dem Tod des Erblassers nach den §§ 328 Abs. 1, 331 Abs. 1 BGB dem Dritten (Ex-Ehegatten) oder nach § 1922 Abs. 1 BGB dem Erben zusteht, dürfte gemäß den §§ 372 Satz 2 Alt. 2, 378 BGB die Versicherungssumme mit schuldbefreiender Wirkung hinterlegen. Anstatt vom Lebensversicherer schnelle Auszahlung verlangen zu können, wäre der Dritte daher gezwungen, den Erben aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB auf Freigabe des hinterlegten Geldbetrags zu verklagen. Da in diesem Prozess im Rahmen der "dolo agit-"Einrede des Erben aus § 242 BGB auch das Bestehen eines Rechtsgrundes im Valutaverhältnis geprüft werden muss, würde der Zweck des Vertrags zugunsten Dritter auf den Todesfall vereitelt, dem Dritten einen vorläufigen und schnellen Zugriff auf die Versicherungssumme zu ermöglichen und die Prüfung eines wirksamen Valutaverhältnisses erst einem vom Erben anzustrengenden Rückforderungsprozess zu überlassen.