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Im Anwendungsgebiet der EU-Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO) ist kein Platz mehr für die Nachlassspaltung, wie sie etwa im Common-law oder in der französischen Rechtsordnung bekannt sind. Denn mit Wirkung zum 17. August 2015 führte die EU-ErbVO das Prinzip der Nachlasseinheit ein, welches auch gilt, wenn sich Nachlassgegenstände in einem Drittstaat befinden (loi uniforme-Prinzip). Gleichwohl beschäftigt sich die Praxis immer noch mit Übergangsfällen, wenn der Erblasser vor dem 17. August 2015 verstarb und bei Anwendung französischen Internationalen Privatrechts (IPR) dieses die Nachlassspaltung anordnet, welche die französische höchstrichterliche Rechtsprechung traditionell entwickelt hat.
1. Das Prinzip von Nachlasseinheit und -spaltung
Zur Annäherung an das Phänomen der Nachlassspaltung bzw. -einheit ist vorauszuschicken, dass die einheitliche Behandlung des Nachlasses bereits aus der Haager Konvention vom 1. August 1989 über das anwendbare Recht im Todesfalle floss, die in Frankreich aber nie in Kraft getreten war (siehe "Convention de La Haye du 1er août 1989 sur la loi applicable aux successions à cause de mort"). Die französische Höchstgerichtsbarkeit, die Cour de cassation, verfolgte stets einen anderen Ansatz als die besagte Haager Konvention. Denn sie wandte die Unterscheidung an in
(1) "meubles" (maßgeblich ist das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers, "loi du dernier domicile du défunt") und
(2) "immeubles" (Recht der Belegenheit, "loi de leur lieu de situation").
Daher erkannte das französische IPR die Einheit des Erbrechts nur für den Teil des beweglichen Vermögens an. Das bewegliche Erbe unterlag damit dem Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers; dies resultiert bereits aus der Entscheidung des französischen Kassationshofes vom 19. Juni 1939, Entscheidung "Labedan"; bestätigt auch noch durch den ersten Zivilsenat der Cour de cassation am 7. Dezember 2005.
Was gilt für unbewegliche Sachen resp. Vermögen (im Französischen "succession immobilière" genannt)? Die Cour de cassation hatte hierzu bereits sehr früh den Grundsatz der Belegenheit herausgearbeitet (d. h.: "loi de l’État sur le territoire ils sont situés").
2. Qualifikation des Vermögens nach französischem code civil
Problematisch ist indes die Qualifikation in bewegliches und unbewegliches Vermögen (biens meubles; biens immeubles). Der oberste französische Gerichtshof hat etwa Gesellschaftsanteile an einer Schweizer AG als bewegliches Vermögen qualifiziert, obwohl diese ein ausschließliches Recht auf Wohnung, zwei Keller und einen Speicher in Genf verliehen.
Ist ein Grundstück als "bien immeuble" unstreitig nach dem Recht der Belegenheit zu vererben (d. h. Sachrecht des jeweiligen Belegenheitsstaates), fällt noch die Frage an, wie mit diesem verbundene bzw. sich dort befindende bewegliche Sachen im Einzelnen zu qualifizieren sind. Für die Qualifikation in bewegliches oder unbewegliches Vermögen ist französisches Sachenrecht maßgeblich. Dieses richtet sich nach den Regeln des Code civil.
Das "klassische" französische Sachenrecht unterscheidet bei den unbeweglichen Sachen solche (a) kraft ihrer Natur, (b) kraft Bestimmung sowie wegen des (c) Gegenstandes, auf den sie sich beziehen. Das französische Sachenrecht ist also anders als die entsprechende Regelung im deutschen BGB. Für die Einordnung der mit dem Grundstück im Belegenheitsstaat verbundenen Sachen nach französischem Recht kommen hauptsächlich die beiden Erstgenannten in Frage, die dritte Variante bezieht sich lediglich auf Rechte.
a) Unbewegliche Sache kraft ihrer Natur
Als unbewegliche Sachen kraft ihrer Natur zählen neben den Grundstücken auch die Sachen, die am Boden befestigt wurden. Auch temporäre und leicht beförderbare Konstruktionen werden zu den Immobilien gerechnet, wenn sie am Boden befestigt wurden und nicht nur mit ihrem eigenen Gewicht auf dem Boden ruhen. Für die Qualifikation einer Sache als unbeweglich "der Natur nach" ist die Befestigung am Boden nicht bloß das entscheidende, sondern obendrein das einzige Kriterium. Die Cour de cassation hat daraufhin herausgearbeitet, dass Stangen, die Stromleitungen tragen, als unbewegliche Sache gelten, sobald sie tief im Boden stecken und durch diesen befestigt sind, selbst wenn sie nicht auf einem gemauerten Sockel angebracht sind. Dabei können Eigentum am Grund einerseits und Eigentum an der Stange auseinanderfallen, denn es geht bei dem Immobilienbegriff kraft Natur nicht um Einheit des Eigentums an Haupt- und Nebensache.
b) Sachqualität kraft Bestimmung
In Betr...