Klärungsbedürftig ist indes, ob eine vielfach auftretende "Abmauerung" eines Luftschutzstollens als "Entwidmung" zur Errichtung des Stollens oder als Neuvornahme einer Nutzung, also einer Anders-Nutzung, aufgefasst werden muss.
1. Frage der Entwidmung und Anders-Nutzung
Ansprüche gemäß § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG resp. § 24 AKG dürfen von der Gemeinde erst dann geltend gemacht werden, wenn die auf dem Grundstück errichtete Luftschutzanlage entwidmet ist. Die Eigentumsstörung des Deutschen Reiches wird erst mit dem Wegfall der durch den Zivilschutzzweck bedingten Duldungspflicht abwehrfähig. Eine Entwidmung kann ausdrücklich oder auch konkludent erfolgen.
Allein mit dem bloßen Substantiv der "Abmauerung" kann weder explizit noch konkludent eine Entwidmung bejaht werden. Geht man davon aus, dass die Anlage der Stollen hoheitlich angeordnet wurde, d.h. vom "Führer-Befehl" bis auf die unterste Ebene der Kommunalverwaltung, dann bezieht sich dies nicht ohne Weiteres darauf, dass eine Mauer allein zum Verschließen gezogen wurde.
An dieser Stelle muss daher ins Feld geführt werden, dass eine solche Maßnahme genauso gut zur Abstützung der Anlage vorgenommen worden sein konnte, wenn die Anlage vor Ende des II. Weltkrieges einige Jahre in Gebrauch war. Auch hier sind die Archive der Gemeinde sowie alle höherrangigen Archive (vor allem Kreis-, Landesarchive), Bauverwaltung, zu durchmustern. In welchem Umfang die Wehrmacht Stollen angelegt oder erweitert hat, kann allein mittels Untersuchung der Stollenprofile und Spuren der Ausbauphasen aufgezeigt werden. Ähnlich wie andere erforschte Stollen wollte die Wehrmacht bestehende ältere Stollen oftmals nutzen und erweitern und hatte dazu weitere Stollen aufgefahren. Die Stollen wurden ausgemauert, aber vielleicht auch nicht vollständig oder in Phasen, und möglicherweise entstand in diesem Zusammenhang eine Nutzung als Luftschutzstollen (Schaffung weiterer Schutzräume für die Zivilbevölkerung).
Eine militärische Verwendung ist nicht auszuschließen, im Gegenteil: Wenn die Wehrmacht eine Maßnahme der Abstützung vornahm, spricht dies sogar ebenfalls für militärische Zwecke. Obendrein wurde dadurch das Reich hoheitlich tätig. Da dadurch keine Entwidmung stattfand und eine Weiternutzung offenblieb, kam dem Reich weiter die Nutzung zu.
2. Notdienstverpflichtungen zu Ende des Krieges i.V.m. NotdienstVO
Ein Blick in die Akten führt zur Verifizierung der Geschehnisse. Denn die "Abmauerung" eines Stollens – veranlasst und durchgeführt unter der Regie der Wehrmacht – fällt sehr wahrscheinlich unter die "Kurzfristige(n) Notdienstverpflichtungen zur Bekämpfung besonderer durch die Kriegslage bedingter öffentlicher Notstände".
Hier ist die Weisung des Reichsministers des Innern (II W 9622/44 268) vom 28.8.1944 einschlägig (Schnellbrief!) und in die Verwaltungspraxis umgesetzt. Dieser Schnellbrief, gestützt auf die NotdienstVO vom 15.10.1938 nebst § 1 der 1. DurchführungsVO und dem Runderlass vom 1.4.1942 (MBliV. S. 649) sowie den Anordnungen (Deutscher Reichsanzeiger Nr. 171 vom 1.8.1944 und MBli.V. S. 765), richtet sich vom Reichsminister des Innern (siehe o.g. "Führerprinzip") in straffer Durchgliederung über die "Herren Reichsverteidigungskommissare" an die Reichsstatthalter, dann wiederum an Landräte und Ortsbürgermeister.
3. Ergebnisse
Wie oben schon bemerkt, fand durch die Anders-Nutzung einer Stollenanlage nicht zwingend eine Entwidmung statt. Durch straff gegliederte und organisierte Anordnung und die Durchführung vor Ort durch die Wehrmacht lagen NS-Rechtsgrundlagen vor, die eine Beeinträchtigung nach § 1004 BGB außen vorlassen; jeder war zur Duldung verpflichtet, einerlei, um welches Eigentum es ging.
Erst der Antrag einer Gemeinde beim Bund (in Reichsnachfolge, wie oben hinlänglich erläutert) nach einer Erschütterung, die weit nach Kriegsende liegen kann, kann als Entwidmung ausgelegt werden, sodass auch nach dieser Sicht die strenge Anmeldefrist nach § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AKG gewahrt ist.
Wenn festgestellt werden kann, dass die Wehrmacht bei der Stollenanlage tätig war, ist zu prüfen, ob die Stollen nicht sogar als Teil der "Westbauten" bzw. "Westwallbauten" zu qualifizieren sind, was systematisch zu Teil B. führt.