Dass das KG bei seiner Auslegung in den sehr ausführlichen Urteilsgründe des BGH Stellen findet, die ihm "in den Kram passen", ist fast unvermeidlich. Je länger ein Text ist, umso mehr Möglichkeiten der Interpretation eröffnet er in der Regel.
Gleichwohl muss das KG im konkreten Fall einige sprachliche und logische "Verrenkungen" vollführen, um zu dem von ihm gewünschten Ergebnis zu kommen. So kann das KG für seine Zwecke insbesondere mit den folgenden Aussagen des BGH, die alle für ein über ein "passives Leserecht" hinausgehendes Recht der Erben auf Zugang zu dem Benutzerkonto sprechen, sehr wenig anfangen.
a) Aussagen des BGH
So hat der BGH in seiner Urteilsbegründung etwa Folgendes geschrieben:
Zitat
"Die Klägerin ist berechtigt, von der Beklagten zu verlangen, der Erbengemeinschaft Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen Inhalten zu gewähren."
Zitat
"Der Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto und den dort gespeicherten Inhalten ergibt sich aus dem auf die Erben übergegangenen schuldrechtlichen Vertrag zwischen der Erblasserin und der Beklagten."
Zitat
"Das Vertragsverhältnis mit seinen Rechten und Pflichten ist mit dem Tod der Erblasserin nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen, die hierdurch in dieses eingetreten sind und deshalb als Vertragspartner einen Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto der Erblasserin sowie den darin enthaltenen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen (digitalen) Inhalten haben."
Zitat
"Die Regelungen zum Gedenkzustand schließen ungeachtet dessen auch nach Maßgabe von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsverhältnis folgenden Kontozugangsrechts nicht wirksam aus […]."
Zitat
Das KG sieht diese Formulierungen zwar, verweist auf sie aber nur unter dem Vorbehalt, dass hier ein "Zugang zum Benutzerkonto scheinbar kumulativ zum Zugang zu den dann vorgehaltenen Kommunikationsinhalten bestehen soll."
b) Interpretation des BGH
In einem solchen kumulativen Sinne, so das KG, sei der Urteilstenor aufgrund der Urteilsgründe aber gerade nicht zu verstehen. Entscheidend sei vielmehr,
Zitat
"dass der Bundesgerichtshof in Rz. 36 des Revisionsurteils ausführt, dass “Gegenstand des Rechtsstreits […] lediglich die Bereitstellung der vorhandenen Kontoinhalte zum Abruf durch die Erben‘ sei".
Ferner sei
Zitat
"in Rz. 37 von einer “Zugangsgewährung zu den bestehenden Kontoinhalten‘ die Rede, ohne dass insoweit von einem darüber hinausgehenden weiteren Zugang zum Konto die Rede ist. […] Auch aus der in Rz. 69 enthaltenen Formulierung, “mit dem Zugang zum Benutzerkonto des Erblassers erhält der Erbe die Möglichkeit, auf die Kommunikation oder die mit dem Erblasser geteilten Bilder und sonstigen Inhalte zuzugreifen‘, ergibt sich," so das KG bei der Interpretation der Urteilsgründe des BGH, "dass es lediglich um den Zugang zu den im Account gespeicherten Inhalten geht. Dies folgt auch aus den Aussagen des Bundesgerichtshofs in Rz. 79 seines Urteils, wonach “der Zugang zu dem Benutzungskonto […] regelmäßig auch dazu [dient], um zu prüfen, ob sich aus dem Inhalt Ansprüche der Erblasserin gegen Dritte oder Ansprüche Dritter gegen die Erblasserin ergeben".
Aus den von ihm zitierten Passagen der Urteilsgründe des BGH zieht das KG nun die Konsequenz, Facebook habe seine Verpflichtung aus dem Urteil mit der Übergabe des USB-Sticks erfüllt, da eben nicht mehr geschuldet sei als die Ermöglichung der Kenntnisnahme von den Kommunikationsinhalten.