Leitsatz
Der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments ist auch dann keine die Geschäftsgebühr auslösende Tätigkeit, wenn wechselbezügliche Verfügungen der Auftraggeber vorgesehen sind.
BGH, Urt. v. 15.4.2021 – IX ZR 143/20
1 Tatbestand
I.
Die Kläger ließen sich vom beklagten Rechtsanwalt wegen eines Testaments beraten. Der Beklagte entwarf ein gemeinschaftliches Testament, in welchem sich die Kläger gegenseitig zu Erben einsetzten. Zusammen mit dem Entwurf übersandte er eine Abschlagsrechnung über insgesamt 1.808,80 EUR. Die Kläger kündigten daraufhin das Mandat. Unter dem 6.11.2017 stellte der Beklagte den Klägern eine 1,0-Geschäftsgebühr gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG nach einem Gegenstandswert von bis zu 450.000 EUR nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 3.704,47 EUR in Rechnung. Die Kläger zahlten diesen Betrag.
Nunmehr meinen die Kläger, der Beklagte habe nur eine Beratungsgebühr gemäß § 34 Abs. 1 RVG in Höhe von 250 EUR zuzüglich einer Mehrgebühr von 0,3 gemäß § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 75 EUR nebst’Auslagenpauschale und Umsatzsteuer abrechnen dürfen, insgesamt 410,55 EUR. Sie verlangen Rückgewähr von 3.293,92 EUR nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
2 Gründe
II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Beratung zweier Ehegatten bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments und die Fertigung eines entsprechenden Entwurfs lösten keine Geschäftsgebühr aus. Es handele sich nicht um ein Tätigwerden nach außen und nicht um die Mitwirkung an einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Bindung. Eine mögliche Bindung an das gemeinschaftliche Testament sei zwar Gegenstand der Beratung gewesen, aber nicht ausgehandelt worden; vielmehr habe es sich um einen von mehreren Vorschlägen gehandelt. Dass zwei Mandanten beraten worden seien, führe nicht zu einer nach außen gerichteten Tätigkeit, sondern nur zu einer Erhöhungsgebühr.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz unterscheidet im Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zwischen der Beratung und der Vertretung des Mandanten. Die Beratung richtet sich allein an den Mandanten. Ihre Vergütung ist in § 34 RVG geregelt. Die Vertretung des Mandanten setzt dagegen schon begrifflich einen Dritten voraus, gegenüber dem der Mandant vertreten werden kann. Sie wird mit einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 bis 2303 VV RVG vergütet. Die Ausrichtung der Tätigkeit nach außen ist zwingende Voraussetzung für das Entstehen einer Geschäftsgebühr (BGH, Urt. v. 22.2.2018 – IX ZR 115/17, WM 2018, 1985 Rn 9). Ob der Rechtsanwalt den Mandanten nur beraten oder auch vertreten soll, richtet sich nach dem Inhalt des ihm erteilten Auftrags.
2. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist die auftragsgemäß auf den Entwurf eines Testaments beschränkte Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Beratung und nicht als Betreiben eines Geschäfts zu vergüten. Weder liegt darin das Betreiben eines Geschäfts noch die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags im Sinne der Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 VV RVG (BGH, Urt. v. 22.2.2018, a.a.O. Rn 8; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 24. Aufl., § 34 Rn 14). Die Beratung und der Entwurf eines Testaments betreffen jeweils nur den Mandanten, der das Testament errichten will. Nichts Anderes gilt für das auftragsgemäße Entwerfen zweier aufeinander abgestimmter Testamente zweier in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebender Personen. Dass jede der beiden Personen Kenntnis vom Testament des anderen Teils erhalten sollte, reichte schon deshalb nicht für eine nach außen gerichtete Tätigkeit aus, weil beide Personen den Auftrag erteilt hatten, also keine außerhalb des Mandats stehenden Dritten waren (BGH, Urt. v. 22.2.2018, a.a.O. Rn 9). Die Mitwirkung an einem Vertrag im Sinne der Vorbemerkung 2.3 VV RVG schied aus, weil die beiden Testamente zwar aufeinander bezogen waren, jedoch keine rechtlichen Bindungen erzeugten; sie konnten jederzeit widerrufen oder geändert werden (vgl. § 2302 BGB).
3. Der Auftrag, ein gemeinschaftliches Testament zu entwerfen, löst ebenfalls keine Geschäftsgebühr aus.
a) Die Frage, ob der auftragsgemäße Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments mit einer Geschäftsgebühr zu vergüten ist, hat der Senat im Urt. v. 22.2.2018 ausdrücklich offengelassen (BGH, Urt. v. 22.2.2018, a.a.O. Rn 13). In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung und in der Fachliteratur ist sie umstritten. Überwiegend wird sie bejaht (vgl. etwa OLG Frankfurt, AGS 2015, 505; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 8. Aufl., § 34 Rn 17; Ruby, ZEV 2018, 410; Kamps, ErbR 2018, 313, 315, 317), weil das gemeinschaftliche Testament mit seinen wechselbezüglichen Verfügungen im gebührenrechtlichen Sinne als Vertrag anzusehen sei. Nach anderer Ansicht kommt es darauf an, ob der En...