Die immer wiederkehrende Problematik der Unauffindbarkeit eines Testaments und der Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten

a)

Leitete ein Erbe sein Erbrecht nach dem Erblasser aus einem handschriftlichen Testament ab, das allerdings unauffindbar ist, so trifft ihn im Rahmen des Erbscheinsverfahrens die Feststellungslast für die Wirksamkeit dieses Testaments. An die Nachweiserbringung sind wegen der besonderen Entscheidungserheblichkeit in dem Verfahren strenge Anforderungen zu stellen.

Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht alleine wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig. Die formwirksame Errichtung sowie der Inhalt des unauffindbaren Testaments, auf das der Erbe sein Erbrecht stützt, können mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden.

Vorliegend hatte sich das OLG Frankfurt am Main im Rahmen des Beschwerdeverfahrens, ebenso wie das erstinstanzlich mit der Sache befasste Amtsgericht Frankfurt am Main, mit der Frage der Wirksamkeit eines nicht mehr im Original auffindbaren handschriftlichen Testaments zu befassen, auf das die Beteiligten zu 1 und 2 als Antragsteller im Rahmen des Erbscheinsverfahrens ihr Erbrecht stützen.

Zum Nachweis der Existenz des Testaments, der formwirksamen Errichtung durch die Erblasserin sowie zum Nachweis des Inhalts des Testaments, auf dass die Beteiligten zu 1 und 2 ihr Erbrecht stützten, fügten sie dem Erbscheinsantrag eine Kopie des maßgebenden Testaments bei. Darüber hinaus boten sie zum Beweis für die Errichtung des Testaments durch die Erblasserin eine langjährige Freundin der Erblasserin als Zeugin an, die bei der Errichtung des Testaments durch die Erblasserin zugegen gewesen ist.

Aus der in Kopie vorliegenden, auf den 30.12.2010 datierten, handschriftlich verfassten und unterzeichneten Verfügung der Erblasserin, die unbestritten von der Erblasserin stammte, geht die Enterbung der Beteiligten zu 3 und 4 hervor sowie die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 und 2.

In seiner Entscheidung vom 16.2.20021 hat das OLG Frankfurt am Main – 21 W 165/20, ebenso wie das Amtsgericht Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.5.2020 – 51 VI 4443/18 F, das Erbrecht der Beteiligten zu 1 und 2 auf das – im Original- nicht mehr auffindbare handschriftliche Testament der Erblasserin vom 30.12.2010 gestützt.

Der Senat stützte seine Überzeugung von der Wirksamkeit des nicht mehr auffindbaren Testaments, nachdem sich die Erbfolge im vorliegenden Fall vorliegend richtete, auf die von den Beteiligten zu 1 und 2 vorgelegte Testamentskopie sowie die überzeugende Zeugenaussage der erstinstanzlich vernommenen Zeugin.

Die Zeugin gab an, bei Errichtung des Testaments zugegen gewesen zu sein. Die Erblasserin habe das Testament im Haus der Zeugin auf Kohlepapier geschrieben. Darüber hinaus führte die Zeugin aus, dass die Erblasserin ihr gegenüber – zusätzlich – nach Abfassung des Testaments den aus der Testamentskopie hervorgehenden Willen immer wieder bekundet hat. Die Erblasserin wollte, dass die Beteiligten zu 1 und 2 ihr Vermögen erhalten.

Die Existenz des Testaments, die formgerechte Errichtung des Testaments durch die Erblasserin gem. § 2247 BGB sowie den Inhalt des Testaments haben die Beteiligten somit zur Überzeugung der Instanzgerichte durch Vorlage einer Testamentskopie und die Errichtung und den Inhalt des Testaments bestätigende Zeugenaussage erbracht.

In seiner Entscheidung stellte der entscheidende Senat des OLG Frankfurt am Main, ebenso wie das erstinstanzlich mit der Sache befasste Amtsgericht Frankfurt am Main, zudem klar, dass die Unauffindbarkeit eines Testaments keine Vermutung dahingehend statuiert, dass der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet und daher gem. § 2255 BGB widerrufen hat (Weidlich/Palandt, 80 Auflage 2021, § 2255 Rn 11, OLG Köln v. 2.12.2016 – 2 Wx 550/16). Hierfür müssen weitere überzeugende Anhaltspunkte vorliegen, die mit der erforderlichen Gewissheit die Feststellung zulassen, dass der Erblasser das Testament vernichtet und damit widerrufen hat.

Die Feststellungslast für den Widerruf trifft im Erbscheinsverfahren denjenigen, der sich zu seinen Gunsten zur Begründung seines Erbrechts auf die Vernichtung und Unwirksamkeit des Testaments beruft.

Der Einwand der Beteiligten zu 3 und 4, die dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 und 2 mit einem eigenen Erbscheinsantrag entgegengetreten sind, die Erblasserin sei äußerst ordnungsliebend gewesen und habe alle wichtigen Unterlagen abgeheftet, weswegen das Testament im Original in jedem Fall hätte aufgefunden werden müssen, wenn sie es nicht vernichtet hätte, sowie der weitere Einwand, dass die Erblasserin ihnen gegenüber stets geäußert habe, sie wisse wer ihre Familie sei und sie müssten sich keine Sorgen machen, erbringt nach Auffassung der Instanzgerichte nicht den erforderlichen Nachweis der Vernichtung und des Widerrufs des Testaments durch die Erblasserin.

Dies vorliegend deshalb nicht, da zwischen der Errichtung des Testaments und dem Erbfall acht Jahre lagen, so dass es nicht ungewöhn...

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