Das neue Stiftungszivilrecht wird vier Änderungsszenarien kennen.

aa) Zweckaustausch oder Einschränkungen des Stiftungszwecks

Das Gesetz beginnt in § 85 Abs. 1 BGB n.F. mit der strengsten Voraussetzung, wonach die Stiftung einen anderen Zweck nur erhalten darf oder der Zweck der Stiftung erheblich beschränkt werden kann, wenn der Stiftungszweck (1) nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann oder (2) das Gemeinwohl gefährdet.[18] Das Gesetz sieht die Voraussetzungen für die erste Variante als gegeben an, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann. Anders als noch im Regierungsentwurf vorgesehen, hat der Gesetzgeber darauf verzichtet, die Unmöglichkeit der Erfüllung des Stiftungszwecks zu verlangen.[19] Damit wird es zukünftig mehr Flexibilität und einen Beurteilungsspielraum geben. Sofern der Vorstand also belegen kann, dass das ursprüngliche "Lebensfähigkeitskonzept" mit diesem Zweck nicht mehr nachhaltig verfolgt werden kann, ist eine Änderung oder eine Beschränkung des Stiftungszwecks möglich.[20]

 

Praxistipp:

Wenn der Stifter in der Stiftungssatzung kein Rangverhältnis der Stiftungszwecke regeln möchte oder kann, kommt es auf den mutmaßlichen Stifterwillen an. Es bietet sich an, entweder in der Satzung oder außerhalb der Satzung niederzuschreiben, wie der Vorstand verfahren soll, wenn sich später erweist, dass nicht alle Zwecke dauerhaft erfolgreich verfolgt werden können. Die bisherigen Erfahrungen mit der Reform zeigen, dass die Aufsichtsbehörden im Rahmen der Modernisierung der Stiftungssatzung sich offen zeigen, eine Anpassung der zu verfolgenden Zwecke vorzunehmen, etwa auch einen Zweck zu beschränken oder zu streichen, um dadurch der Stiftung zu ermöglichen, ihre Mittel wirkungsvoller einzusetzen.

[18] Auf die Möglichkeit zur Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauerhaft und nachhaltig erfüllt werden kann, § 85 Abs. 1 S. 4 BGB n.F., wird unten eingegangen.
[19] Hierzu Schiffer/Pruns/Schürmann, Reform des StiftungsR, § 9 Rn 15.
[20] Ausführlich hierzu Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 24 f., dort auch zu den Beschränkungen des Stiftungszwecks; Schauer, npoR 2022, 54, 55, weist zutreffend auf die Schwierigkeiten hin, wenn eine Stiftung mehrere Zwecke hat und zu entscheiden ist, ob bei einer Zweckbeschränkung der strengere § 85 Abs. 1 BGB n.F. oder der etwas einfachere § 85 Abs. 2 BGB n.F. vorliegt.

bb) Andere Zweckänderungen oder Änderung prägender Bestimmungen

Weniger strenge Voraussetzungen für eine Satzungsänderung sieht § 85 Abs. 2 BGB n.F. vor. Denn danach können der Stiftungszweck oder andere sog. prägende Bestimmungen der Stiftungsverfassung (!) geändert werden, wenn sich die Verhältnisse nach Errichtung der Stiftung wesentlich verändert haben und eine solche Änderung erforderlich ist, um die Stiftung an die veränderten Verhältnisse anzupassen. Als prägend sollen gem. § 85 Abs. 2 S. 2 BGB n.F. regelmäßig der Name der Stiftung, der Sitz, die Art und Weise der Zweckerfüllung und die Verwaltung des Grundstockvermögens gelten.[21] Zweckänderungen i.S.v. Abs. 2 sind solche, die nicht schon unter § 85 Abs. 1 BGB n.F. fallen,[22] was nach der Gesetzesbegründung solche Zweckänderungen sind, die nicht die Identität der Stiftung berühren.[23] Spannend wird sein, wie die Stiftungsaufsicht, die jede Änderung der Satzung wird genehmigen müssen, die Voraussetzung "wesentliche Veränderung der Verhältnisse" im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht auslegen wird.

 

Praxistipp:

Der Stifter sollte nicht nur überlegen, ob er die prägenden Bestimmungen abweichend festlegt, sondern auch, ob er Beispiele benennt, wann für ihn eine Änderung der Verhältnisse als wesentlich gegeben ist, diese aber so elastisch formuliert, dass der spätere Stiftungsvorstand Spielraum hat, auch andere Umstände als Beleg heranzuziehen. Bei bestehenden Stiftungen, die ihre Satzung derzeit an die Stiftungsrechtsreform anpassen, sollte versucht werden, hierzu eine Regelung aufzunehmen.

[21] Krit. zu einigen Festlegungen des Gesetzgebers als prägend, etwa der Name oder der Sitz der Stiftung, Burgard, ZStV 2021, 45, 47 f.; ähnlich auch Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 26.
[22] Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 26.
[23] BT-Drucks 19/28173, 66; hierzu Schauer, npoR 2022, 54, 54 ff., der die Auffassung vertritt, dass der Stifter gem. § 85 Abs. 4 BGB n.F. die Möglichkeit habe, im Stiftungsgeschäft selbst die prägenden Verfassungsbestimmungen zu definieren und damit selbst zu entscheiden, für welche Satzungsbestandteile die gesteigerten Voraussetzungen des § 85 Abs. 2 BGB n.F. gelten. Wohl ähnlich: Schiffer/Pruns/Schürmann, Reform des StiftungsR, § 9 Rn 19; Hüttemann/Rawert, ZIP Beil. H. 33, 2021, 3, 26.

cc) Sonstige Änderungen der Stiftungssatzung

§ 85 Abs. 3 BGB n.F. fungiert als eine Art Auffangtatbestand für alle anderen Satzungsänderungen.[24] Denn danach können Bestimmungen der Satzung geändert werden, die nicht unter § 85 Abs. 1 und Abs. 2 BGB n.F. fallen. Voraussetzung ist jedoch, dass die Satzungsänderungen der Erfüllung des Stiftungsz...

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