Mit der Umstellung vom Staatsangehörigkeits- zum Aufenthaltsprinzip durch die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) kommt in grenzüberschreitenden Fällen dem letzten Lebensmittelpunkt des Erblassers nun entscheidende Bedeutung zu. Dieser bestimmt über die internationale Zuständigkeit der Gerichte und über das anwendbare Recht. Dabei ist die Feststellung eines solchen Lebensmittelpunkts oft alles andere als einfach. Die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt war regelmäßig statisch; allenfalls bei Mehrstaatern, die nicht Deutsche waren (Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB), wurde mal ein Schwerpunkttest erforderlich. Der gewöhnliche Aufenthalt hingegen ist dynamisch, im Zeitalter der Globalisierung treibt es viele auf Dauer hinaus in die weite Welt. Insofern kann man die in den ersten Jahren unter dem Regime der Erbrechtsverordnung ergangenen Urteile auch als Spiegel des modernen Lebens sehen.
Im Ausgangspunkt soll jeder Erblasser nur einen einzigen letzten gewöhnlichen Aufenthalt haben können. Das ist natürlich ein praktisch begründetes Desiderat, denn schließlich soll die Prüfung der internationalen Zuständigkeit ebenso wie die des anwendbaren Rechts nur zu einem einzigen Staat führen.
Mit der tatsächlichen Lebensführung einer Person stimmt das aber nicht zwingend überein. Es gibt den Weltenbummler, ferner den Mallorca-Rentner, der nur die kalte Jahreshälfte auf seiner Fincaverbringt, die andere Hälfte aber in Deutschland lebt, sowie den Pendler im grenznahen Gebiet. Auch berühmte Künstler oder Spitzensportler sind schon berufsbedingt das ganze Jahr über zwischen ihren verschiedenen Wohnsitzen unterwegs, ohne dass einer davon unbedingt klar hervorsticht. Weniger glamourös geht es bei Älteren und Kranken zu, die sich zur Pflege ins Ausland begeben, weil es dort für sie bezahlbar ist, die sonst aber keine heimatlichen Beziehungen zu ihrem neuen Umfeld aufbauen. Und überhaupt gibt es auch Unentschlossene, die zunächst nur für ein paar Monate oder wenige Jahre ins Ausland gehen wollten, etwa als Studierende, Soldaten, Diplomaten oder im Rahmen einer sonstigen befristeten beruflichen Abordnung, und die dann dort schlichtweg hängen blieben. Ab wann ist bei denen der neue Lebensmittelpunkt begründet?
Es bleibt dabei, der gewöhnliche Aufenthalt ist als Anknüpfungspunkt in seinen Randbereichen unscharf. Der Erblasser kann hier auch nur begrenzt in der Nachlassplanung gegensteuern. Zwar kann er anstelle des Rechts am letzten gewöhnlichen Aufenthalt das Recht seiner Staatsangehörigkeit als Erbstatut wählen. Er kann aber nicht bestimmen, wo er selbst seinen gewöhnlichen Aufenthalt sieht. Diese Entscheidung muss im Streitfall nach seinem Tod ein Richter fällen, der ihn gar nicht gekannt hat und der sich dabei auf die Informationen verlassen muss, die ihm die potenziellen Erben geben.