Der Ausgleichungstatbestand des § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB ist eingebettet in die §§ 2050 ff. BGB, die für bestimmte Konstellationen Ausgleichungspflichten zwischen den Abkömmlingen des Erblassers anordnen, vornehmlich im Fall des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge. Im Einzelnen regeln die Vorschriften, welche lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers an seine Abkömmlinge und welche Leistungen der Abkömmlinge zugunsten des Erblassers im Rahmen einer Erbauseinandersetzung bei der Verteilung des Überschusses (vgl. § 2047 BGB) zu berücksichtigen sind. Die §§ 2050 ff. BGB ändern dabei nicht die gesetzlichen Erbteile der Abkömmlinge, sondern modifizieren lediglich die Teilungsquoten. Bei der Durchführung der Ausgleichung werden zunächst vom gesamten Nachlass die gesetzlichen Erbteile derjenigen Miterben abgezogen, die nicht ausgleichungspflichtig sind. Anschließend ist von diesem ausgleichungserheblichen Nachlass der aus § 2057a Abs. 3 BGB errechnete Ausgleichungsbetrag abzuziehen. Sodann sind die Nachlassanteile für einen jeden Abkömmling auf Basis der jeweiligen (gesetzlichen) Erbteile gesondert zu bestimmen. Abschließend wird der Ausgleichungsbetrag dem Anteil des ausgleichungsberechtigten Abkömmlings hinzugerechnet. Ausgleichungsgegner sind die zur gesetzlichen Erbfolge berufenen Abkömmlinge des Erblassers.
Gem. § 2057a Abs. 3 BGB bestimmt sich die Höhe des Ausgleichungsbetrags nach Billigkeitsgesichtspunkten. Speziell für die Ausgleichungsbemessung bei Pflegeleistungen gegenüber dem Erblasser hat sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine dreistufige Prüfung herausgebildet. Auf der ersten Stufe wird dabei Dauer und Umfang der ausgleichungspflichtigen Pflegeleistung berücksichtigt. Zudem wird geklärt, in welchem Umfang der Nachlass durch die Pflegeleistungen erhalten oder vermehrt wurde. Um den pflegebedingten Vermögenserhalt ermitteln zu können, stellen die Gerichte hierbei auf die fiktiven Kosten für professionelle Pflegekräfte ab, die dann angefallen wären, wenn sich der Angehörige nicht zur Pflege entschlossen hätte. Im Rahmen der – stärker von Billigkeitserwägungen geprägten – zweiten Stufe wird zum einen der immaterielle Wert bestimmt, den die Pflege für den Erblasser hatte. Zum anderen werden im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aber auch etwaige Vor- und Nachteile berücksichtigt, die der pflegende Abkömmling aus der Pflegesituation erlangt bzw. erlitten hat. Hierunter fallen etwa mietfreie Wohnvorteile oder Einkommensverluste. Auf der dritten Stufe werden bei der Ausgleichungsbemessung die Vermögensinteressen der übrigen Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten sowie die Höhe des gesamten Nachlasses in die Gesamtbetrachtung miteinbezogen.
In der Vergangenheit sind die Gerichte so zu teilweise erheblichen Ausgleichungsbeträgen gelangt (z.B. i.H.v. 50.000 EUR, 48.200 EUR oder 40.000 EUR). Bei überschaubaren Nachlasswerten könnten solche Ausgleichungsbeträge dazu führen, dass die ausgleichungspflichtigen Abkömmlinge im Rahmen der Erbauseinandersetzung leer ausgehen. Stellenweise wird eine solche Aufzehrung des Nachlasses für durchaus zulässig erachtet. So hätte der pflegebedürftige Erblasser sich die Leistungen – ohne die Hilfe des Abkömmlings – extern erkaufen müssen. Hierdurch wäre wiederum die Nachlasssubstanz aufgezehrt und die übrigen Abkömmlinge gingen ebenso leer aus. Dagegen wird vorgebracht, der Wortlaut von § 2057a Abs. 3 BGB fordere die billige Ausgleichungsbemessung – und zwar in Ansehung des Nachlasswerts. Dementsprechend dürfe der Nachlass nicht vollständig durch die zu bewertende Leistung des Abkömmlings aufgezehrt werden. Weiterhin wird – stellenweise von der Rechtsprechung – gegen eine vollständige Nachlassaufzehrung eingewandt, diese widerspreche dem (auch verfassungsrechtlich) verbrieften Pflichtteilsrecht des ausgleichungspflichtigen Abkömmlings. Das Pflichtteilsrecht garantiere nämlich eine Mindestbeteiligung des ausgleichungspflichtigen Abkömmlings am Nachlass.
Gem. § 2316 BGB ist die Ausgleichung nach § 2057a BGB auch im Pflichtteilsrecht ausdrücklich zu berücksichtigen. Hierbei wird ein fiktiver Ausgleichungserbteil unter Berücksichtigung der ausgleichungspflichtigen Leistungen ermittelt, der anschließend halbiert wird. Dahinter steckt der Gedanke, dass der Pflichtteil die Hälfte des jeweils konkret zu ermittelnden gesetzlichen Erbteils betragen muss, § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB. Konsequenterweise darf ein enterbter Abkömmling nicht mehr erhalten, als er unter Berücksichtigung seiner Ausgleichungspflichten im Fall der gesetzlichen Erbfolge erhalten hätte. § 2316 BGB dient denjenigen, die eine vollständige Nachlassaufzehrung infolge ausgleichungspflichtiger Leistungen eines Abkömmlings für möglich halten, als zusätzliche Argumentationshilfe: So zeige die Vorschrift, dass jedenfalls der Pflichtteil des ausgleichungsverpflichteten Abkömmlings nicht als Untergrenze bei der Ausgleichungsbemessung herangezogen werden könne. Denn schon das...