Die Beweggründe der Finanzverwaltung sind rechtspolitisch nachvollziehbar, dogmatisch jedoch mehr als zweifelhaft. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung sind die gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen im Gesellschaftsvertrag im Rahmen der Bewertung (erste Stufe) zu berücksichtigen und nicht als Last zu qualifizieren.
Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass § 11 Abs. 2 BewG den § 9 BewG als lex specialis ausschließe und der Substanzwert mithin auch dann den Mindestwert bildet, wenn feststeht, dass eine Veräußerung des Geschäftsanteils am Markt zu diesem Preis nicht erfolgen kann.
Dem steht die verfassungskonforme Auslegung der §§ 9, 11 BewG entgegen. Vielmehr muss auf die Generalnorm des § 9 BewG zurückgegriffen werden können, "wenn im Rahmen des § 11 Abs. 2 BewG nicht alle den Preis beeinflussenden Umstände berücksichtigt werden können".
Nach dem BVerfG sind Wirtschaftsgüter stets mit einem Annäherungswert an den Verkehrswert (bzw. den gemeinen Wert) anzusetzen. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts zu erzielen wäre, § 9 Abs. 2 S. 1 BewG. Nach § 9 Abs. 2 S. 2 BewG sind sämtliche Umstände, die den Preis beeinflussen, bei der Bestimmung des gemeinen Werts zu berücksichtigen. Lediglich ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nicht zu berücksichtigen, § 9 Abs. 2 S. 3. BewG.
Ist die GmbH am maßgeblichen Stichtag (§ 11 ErbStG) als gemeinnützig anerkannt und besteht die gemeinnützige Vermögensbindung fort, ist ausschließlich der Betrag, den der Erwerber in gemeinnützigkeitsunschädlicher Weise zurückerhalten darf, wenn die GmbH später aus der Gemeinnützigkeit "aussteigen" sollte, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr typischerweise zu erzielen. Der nicht gemeinnützige Erwerber würde im Regelfall gerade nicht den etwaig höheren Substanz- oder Ertragswert zahlen, wenn er diesen wegen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen nicht einmal ansatzweise erhalten kann.
Die gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen stellen auch keine ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnisse i.S.d. § 9 Abs. 2 S. 3 BewG dar.
Ungewöhnliche Umstände sind Umstände, mit denen der Verkehr bei Abschätzung des Werts eines Wirtschaftsguts nicht zu rechnen pflegt. Erwirbt ein Erwerber einen Geschäftsanteil an einer gGmbH, hat ein (nichtgemeinnütziger) Erwerber regelmäßig Kenntnis von den gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen, wenn die Satzung entsprechend der zwingenden Vorschriften der §§ 52 ff. AO errichtet wurde.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung und der Finanzgerichtsbarkeit stellen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Beschränkungen auch keine persönlichen Verhältnisse dar. Die Beschränkungen sind anteils- und nicht personenbezogen und somit vom Erwerber zu übernehmen, sodass es eine verfassungskonforme Anwendung der §§ 9 ff. BewG gebietet, diese bei der Ermittlung des gemeinen Werts zu berücksichtigen.
Die fiktive Annahme einer steuerpflichtigen GmbH auf der ersten Stufe dient allein dazu, den Finanzämtern eine Korrektur der Steuerfestsetzung zu ermöglichen, wenn die gGmbH nach dem Bewertungsstichtag aus der Gemeinnützigkeit "aussteigen" und dabei gegen die gemeinnützige Vermögensbindung verstoßen sollte. Dies ist politisch nachvollziehbar und mag insbesondere bei Missbrauchsfällen zu zufriedenstellenden Ergebnissen führen, ist dogmatisch jedoch nicht haltbar und vom (insoweit unzulänglichen) Gesetz nicht gedeckt.
Die Schaffung einer entsprechenden nachträglichen Korrekturmöglichkeit obliegt allein dem Gesetzgeber, was er mit dem § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG bereits vorgenommen hat. Solange eine entsprechende Regelung nicht in das Bewertungsgesetz aufgenommen wird, sind allein die Verhältnisse zum Stichtag maßgeblich, sodass jegliche nachträgliche Anpassung ausscheidet.
Die Absurdität der Auffassung der Finanzverwaltung wird abschließend durch das nachstehende Fallbeispiel nach Kirchhain/Lorenz deutlich:
Beispiel 1:
Erblasser E errichtet noch zu Lebzeiten eine gGmbH und überträgt ihr erhebliche Vermögenswerte. Mit dem Tod des E gehen die Anteile auf dessen Alleinerben A über. Mehr als zehn Jahre nach der Vermögensdonation an die gGmbH steigt diese aus der Gemeinnützigkeit aus und überführt das gesamte Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen den Grundsatz der Vermögensbindung in das Privatvermögen des A.
Beispiel 2:
A errichtet selbst eine gGmbH mit dem gesetzlichen Mindeststammkapital von 25.000,00 EUR. E wendet der gGmbH zu Lebzeiten oder von Todes wegen erhebliche Vermögenswerte zu. Mehr als zehn Jahre nach der Vermögenszuwendung durch E steigt die gGmbH aus der Gemeinnützigkeit aus und überführt das gesamte Gesellschaftsvermögen unter Verstoß gegen die gemeinnützige Vermögensbindung in das Privatvermögen des A.
Wendet man die Auffassung der Finanzverwaltung an, kommt es im Fall 1 im Zeitpunkt des Anteilsübergangs auf A vorläufig zur niedrigen Besteuerung des A. Mit d...