Sowohl die formelle als auch die materielle Satzungsmäßigkeit müssen für die Befreiung von der Körperschaft- und der Gewerbesteuer während des gesamten Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums, bei den übrigen Steuern im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, gewährleistet sein, §§ 59, 60 Abs. 2, 63 Abs. 2 AO. Ein Verstoß gegen die gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen hat grundsätzlich den Verlust der Steuerbegünstigungen zur Folge, d.h. der Verlust tritt daher
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für die Körperschaft- und Gewerbesteuer für den gesamten jeweiligen Besteuerungsabschnitt ein, wenn zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums der Grundsatz der formellen oder materiellen Satzungsmäßigkeit verletzt wird; |
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für die anderen Steuern dann ein, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als steuerbegünstigte Körperschaft im Zeitpunkt der Steuerentstehung nicht erfüllt sind, mithin für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer im Zeitpunkt der Zuwendung (§ 9 ErbStG), für die Grundsteuer zu Beginn des Kalenderjahres (§ 9 Abs. 2 GrStG) und für die Umsatzsteuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums (§ 13 Abs. 1 UStG). |
Darüber hinaus sieht das Gesetz eine rückwirkende Steuerpflicht nach den nachstehenden Vorschriften vor:
Dazu im Einzelnen:
1. § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG
Nach § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG entfällt die Befreiung von der Schenkung- bzw. Erbschaftsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung als gemeinnützige Institution innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen und das Vermögen der Körperschaft nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird. Rechtsgrundlage für die Nachversteuerung ist § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § Abs. 2 AO. Eine etwaige Festsetzungsverjährung (§ 169 AO) bildet keine Grenze.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG nur dann zur Nachversteuerung kommt, wenn neben dem Verlust der Gemeinnützigkeit das Vermögen der Gesellschaft nicht gemeinnützigen Zwecken zugeführt wird. Die Voraussetzungen müssen also kumulativ erfüllt sein. Eine Nachversteuerung erfolgt daher trotz des Wegfalls der Gemeinnützigkeit nicht, wenn das steuerfrei erworbene Vermögen (wieder) steuerbegünstigten Zwecken zugeführt wird.
Die Versagung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung kann beispielsweise in einer Satzungsänderung oder einem Auseinanderfallen der Satzungsbestimmungen und der tatsächlichen Geschäftsführung begründet sein, wobei gem. § 63 Abs. 4 AO der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist.
2. § 61 Abs. 3 AO bzw. § 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO
Alternativ kommt eine Nachversteuerung aufgrund von Verstößen gegen den Grundsatz der Vermögensbindung in Betracht.
Nach § 61 Abs. 3 S. 1 AO gilt die Vermögensbindung als von Anfang an nicht ausreichend, wenn die Bestimmungen über die Vermögensbindung nachträglich in einer Weise geändert werden, dass sie den Anforderungen der AO nicht mehr entsprechen oder die tatsächliche Geschäftsführung gegen den Grundsatz der Vermögensbindung verstößt (§ 63 Abs. 2 i.V.m. § 61 Abs. 3 AO).
Das Gemeinnützigkeitsrecht kennt bei Verstößen gegen seine Bestimmungen zwei Sanktionsmöglichkeiten: Entweder wird die Körperschaft im Jahr des Verstoßes ohne Beachtung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Vorschriften besteuert oder die Besteuerung umfasst rückwirkend die vor dem Verstoß liegenden zehn Jahre. Die Bestimmung soll sicherstellen, dass das Vermögen der Körperschaft trotz ihrer Aufhebung bzw. Auflösung oder trotz des Wegfalls steuerbegünstigter Zwecke weiterhin steuerbegünstigten Zwecken zugeführt wird; anderenfalls folgt eine Steuernachentrichtung der bisher nicht geleisteten Steuern.
3. Verhältnis der Vorschriften
Die Anwendungsbereiche und die Rechtsfolgen der § 61 Abs. 3 S. 1 AO bzw. § 63 Abs. 2 AO und des § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG überschneiden sich zwar teilweise, sind jedoch nicht deckungsgleich.
Während § 13 Abs. 1 Nr. 16b S. 2 ErbStG den Verlust der Gemeinnützigkeit (verbunden mit der Zuführung des Vermögens an nicht begünstigte Zwecke) ungeachtet des konkreten Grundes des Verlustes genügen lässt und sodann lediglich zu einer Nachversteuerung nach dem ErbStG führt, beschränken sich die §§ 61, 63 AO auf die Verletzung des Grundsatzes der Vermögensbindung gem. § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO, haben sodann jedoch eine Nachversteuerung ...