In Fortführung des "Blicks über den Tellerrand" in ZErB 2024, 19, werden hier weitere familienrechtliche Strategien zur Pflichtteilsminimierung von Abkömmlingen vorgestellt.
Lebzeitige Durchführung des Zugewinnausgleichs
Erhält ein Ehegatte aufgrund ehevertraglicher Beendigung der Zugewinngemeinschaft etwas, wird das Nachlassvermögen geschmälert. Der Erhalt stellt keine Schenkung dar und führt deswegen auch nicht nach §§ 2325, 2329 BGB zu Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Ebenso fällt eine solche Vermögensübertragung nicht unter §§ 2287, 2288 BGB, sodass bindende Verfügungen von Todes wegen unterlaufen werden können.
Praxishinweis:
Der juristische Berater hat den Fall zu bedenken, dass der "falsche" Ehegatte zuerst verstirbt und damit der Überlebende ungewollt vorab ausgeglichenes Vermögen "zurückerbt", welches bei dessen Tod dem Anspruch des ungeliebten Pflichtteilsberechtigten unterliegen würde. Eine flankierende erbrechtliche Gestaltung zur Reduzierung des dann pflichtteilsrelevanten Nachlasses ist hier notwendig (z.B. Nutzungsvorbehalt, Vor- und Nacherbschaft bzw. -vermächtnis, Herausgabevermächtnis).
Lebzeitiger Wechsel in die Gütergemeinschaft
Die Begründung der Gütergemeinschaft reduziert aufgrund der Übertragung des hälftigen Vermögens eines Ehegatten auf den anderen (§ 1416 Abs. 1 S. 1 BGB) den Nachlasswert – gleichzeitig erhöhen sich jedoch die Erb- und damit Pflichtteilsquoten. Die Übertragung des Vermögens stellt keine Schenkung i.S.d. § 2325, § 2287, § 2288 BGB dar und reduziert so den Nachlass. Eine Gütergemeinschaft lohnt sich im Erbfall aufgrund der gestiegenen Pflichtteilsquoten der Kinder (bei einem Kind ⅜’statt 1/4, bei zwei Kindern 3/16 statt 1/8, bei drei Kindern ⅛ statt 1/12) rechnerisch erst, wenn das Vermögen des ursprünglich vermögenderen Ehegatten mehr als drei Mal so hoch ist wie das Vermögen des anderen. Selbst dann sind die rein finanziellen Vorteile im Erbfall abzuwägen mit den Nachteilen einer Gütergemeinschaft zu Lebzeiten (wie z.B. die schwierige Auseinandersetzung des Gesamtguts bei Scheidung).
Vereinbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft
Durch die Vereinbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft werden gem. §§ 1483 Abs. 1 S. 1, 1487 Abs. 1 BGB bei Tod des erstversterbenden Ehegatten Pflichtteilsansprüche gemeinschaftlicher Kinder vollständig ausgeschlossen. Es findet weder eine Auseinandersetzung des Nachlasses noch eine Erbfolge statt. Dies gilt nicht für einseitige Abkömmlinge – hier entstehen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.
Zu beachten und überdenken sind jedoch die Nachteile für den Abkömmling bis zum Tod des Letztversterbenden, hier vordringlich die alleinige Verwaltung des Gesamtguts durch den überlebenden Ehegatten (§ 1487 Abs. 1 BGB) sowie die Versagung der Teilung der Gütergemeinschaft ohne dessen Zustimmung (§ 1419 BGB). Bei Tod des überlebenden Ehegatten erhalten die Abkömmlinge den Pflichtteil und es verdoppelt sich der erbrechtliche Erwerb ohne Abzug des Ehegattenerbteils, was eventuell zu einer nicht zu unterschätzenden Erbschaftsteuerbelastung führt.
Praxishinweis:
Werden nach Vereinbarung der fortgesetzten Gütergemeinschaft, aber vor Tod des Erstversterbenden Schenkungen getätigt, entstehen grundsätzlich Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 1505 BGB). Jedoch wird der Erstverstorbene so behandelt, als sei er erst bei Beendigung der Gütergemeinschaft (Tod des überlebenden Ehegatten) gestorben. Bis dahin greift der Abschmelzungseffekt des § 2325 BGB ein. Stirbt der zweiten Ehegatte erst über zehn Jahre nach der Schenkung, entfällt der Anspruch.
Pflichtteilsminimierung darf kein Hauptmotiv sein
Bei Formulierung aller hier dargestellten Regelungen ist dringend darauf zu achten, dass sie eherechtlich motiviert sind und die Pflichtteilsminimierung nicht den Hauptgrund darstellt, da ansonsten die Pflichtteilsfestigkeit gefährdet sein kann. Insbesondere bei rückwirkender Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft gibt es noch keine höchstrichterliche Bestätigung der Pflichtteilsfestigkeit, es spricht aber einiges dafür.
Praxishinweis:
In jedem Fall ist durch den juristischen Berater die Rechtsprechung zur Pflichtteilsfestigkeit der einzelnen Regelung zu recherchieren und die Motive der gewünschten Vereinbarung sind umsichtig zu formulieren.
Autor: Beatrix A. Ruetten, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht und Fachanwältin für Erbrecht, Hamburg
ZErb 7/2024, S. 256 - 257