Nachweis der Erbfolge bei Nachlässen mit Auslandsbezug
Die Erbenstellung wird in Deutschland regelmäßig durch einen Erbschein nachgewiesen, der vom örtlich zuständigen Nachlassgericht erteilt wird. Ausländische Rechtsordnungen kennen vergleichbare Zeugnisse. Die EuErbVO, anwendbar auf die Rechtsnachfolge von Personen, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind, Art. 83 Abs. 1 EuErbVO, hat für Fälle mit Auslandberührung das Europäische Nachlasszeugnis geschaffen, das wie der Erbschein den Nachweis der Erbenstellung erbringt, Art. 69 Abs. 2 EuErbVO. Die internationale Zuständigkeit für die Erteilung von Erbnachweisen ist abschließend in den Art. 4 ff. EuErbVO geregelt, die ein komplexes Zuständigkeitssystem enthalten. Das OLG Karlsruhe hat sich in einem Beschl. v. 19.2.2024 mit der internationalen Zuständigkeit zur Erteilung eines Erbscheins befasst, das OLG Bremen in einem Beschl. v.12.10.2023 mit den Wirkungen eines nicht vollständig ausgefüllten Europäischen Nachlasszeugnisses.
Deutsche Nachlassgerichte sind für ein Erbscheinsverfahren international gem. Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO zuständig, wenn der Erblasser, der die deutsche Staatsangehörigkeit besaß, seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Kolumbien hatte und sich Nachlassvermögen in Deutschland befindet. (amtl. Leitsatz 1)
Der deutsche Erblasser hatte testamentarisch seine erste Ehefrau und seine Kinder aus erster Ehe als Erben eingesetzt. Nachdem er in Kolumbien, wo er seine letzten Lebensjahre verbracht hatte, verstorben war und Vermögen u.a. in Deutschland und Schweden hinterließ, beantragten die testamentarisch Bedachten beim AG Konstanz (Nachlassgericht) einen Erbschein auf der Grundlage des Testaments. Gegen den Beschluss, mit dem das Nachlassgericht die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachten hat, legte die vierte Ehefrau des Erblassers Beschwerde u.a. mit der Begründung ein, das Testament sei unwirksam, und beantragte beim AG Malmö die Bestellung eines Nachlassverwalters. Das OLG Karlsruhe prüfte und bejahte die nicht gerügte Zuständigkeit des Nachlassgerichts Konstanz und wies die Beschwerde zurück.
Praxistipp:
Die Entscheidung zeigt, dass bei Erbfällen mit Auslandsberührung ein besonderes Augenmerk auf die internationale Zuständigkeit zu richten ist, um die Anrufung unzuständiger Gerichte zu vermeiden. Das System ist äußerst komplex. Im vorliegenden Fall ergibt sich die Zuständigkeit aus Art. 10 Abs. 1 lit. a EuErbVO, der gemeinsam mit Art. 4 EuErbVO die Grundregel der internationalen Zuständigkeit im Erbrecht bildet. Dabei kann leicht übersehen werden, dass eine Rechtswahl, die auch konkludent und sogar "fiktiv" sein kann, wie das OLG Karlsruhe ausführt, eine internationale Zuständigkeit begründen kann.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist auch dann als Nachweis gem. Art. 69 Abs. 5 EuErbVO geeignet, wenn das Formblatt nicht vollständig ausgefüllt ist, die fehlenden Angaben sich aber aus einer mit dem Formblatt verbundenen Erklärung des ausstellenden Notars ergeben. Auch ein solches Europäisches Nachlasszeugnis erbringt gem. § 35 Abs. 1 GBO den vollen Nachweis für die darin angegebene Erbfolge. (amtl. Leitsatz)
Die Erblasserin hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in Spanien. Sie hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein vom AG Bremen (Nachlassgericht) eröffnetes und dann zur weiteren Verwendung in Spanien versandtes gemeinschaftliches Testament errichtet, das ihren Sohn als Alleinerben auswies. Der Erbe wurde vom AG Bremen (Grundbuchamt) aufgefordert, die Berichtigung des Grundbuchs zu beantragen und die dazu erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Das vom Erben vorgelegte, von einem spanischen Notar erteilte Europäische Nachlasszeugnis wurde vom Grundbuchamt zurückgewiesen, weil es unvollständig ausgefüllt war und das gemeinschaftliche Testament nicht berücksichtigte, und der Erbe aufgefordert, ein neues Europäisches Nachlasszeugnis vorzulegen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde zum OLG Bremen hatte Erfolg. Die fehlenden Angaben könnten einer verbundenen Erklärung des Notars entnommen werden, die fehlende Berücksichtigung des Testaments sei für das Grundbuchamt unbeachtlich.
Praxishinweis:
Der Beschl. des OLG Bremen wird zwar dem Interesse des Erben gerecht, jedoch bestehen erhebliche Zweifel an seiner Richtigkeit. In einem Europäischen Nachlasszeugnis unterlassene Angaben sind nicht Bestandteil des Europäischen Nachlasszeugnisses und können deshalb nicht von seiner Wirkung umfasst sein. Man sollte darum nicht darauf vertrauen, dass auch unvollständig ausgefüllte Europäische Nachlasszeugnisse in Deutschland ihre Wirkung entfalten, sondern stattdessen sorgfältig prüfen, ob das Formular richtig ausgefüllt ist, und im Zweifel beim ausländischen Aussteller auf die Berichtigung des Zeugnisses hinwirken. Dazu besteht umso mehr ...