Der Begriff des Leibgedings ist in unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften mehrfach erwähnt. Im Bundesrecht z. B. in Art. 96 EGBGB, § 9 Absatz 1 EGZVG, § 850 b Absatz 1 Ziff. 3 ZPO, § 49 GBO, § 23 Ziff. 2 lit. b GVG, § 63 Absatz 2 KostO, im Landesrecht überwiegend in den Ausführungsbestimmungen zu Art. 96 EGBGB und zu § 9 EGZVG. Trotz des einheitlichen Wortlautes wird der Begriff Leibgeding vom BGH je nach Norm teilweise unterschiedlich ausgelegt. Neuere Urteile des BGH haben dies mehrfach bestätigt. Hinsichtlich der einschränkenden Auslegung des Leibgedingsbegriffs sind die OLG dem BGH weitgehend gefolgt.
1. Der Leibgedingsbegriff iSv Art. 96 EGBGB, insbesondere das Erfordernis einer existenzbegründenden Wirtschaftseinheit
In ständiger Rechtsprechung definiert der BGH den Begriff des Leibgedings iSv Art. 96 EGBGB als "Inbegriff von Rechten verschiedener Art, die durch ihre Zweckbestimmung, dem Berechtigten ganz oder teilweise für eine bestimmte Zeit oder dauernd Versorgung zu gewähren, zu einer Einheit verbunden sind". "Der Wesenszug eines solchen Altenteils liegt in einem Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz – wenigstens teilweise – begründende Wirtschaftseinheit unter Abwägung der Interessen des abziehenden Altenteilers und des nachrückenden Angehörigen der nächsten Generation. Tritt in einer schuldrechtlichen Vereinbarung demgegenüber der Charakter eines gegenseitigen Vertrags mit beiderseits gleichwertigen Leistungen in den Vordergrund, so kann im Allgemeinen nicht angenommen werden, es handele sich um eine Altenteilsvereinbarung."
Der BGH legt den Begriff Leibgeding iSv Art. 96 EGBGB einschränkend aus, indem er auf eine bestimmte Qualität des Übergabeobjekts abstellt. Das Vertragsobjekt eines solchen Leibgedingsvertrags muss nach Ansicht des BGH eine "die Existenz wenigstens teilweise begründende Wirtschaftseinheit" sein. Das Übergabeobjekt muss also so beschaffen sein, dass der Übernehmer des Grundstücks aus dessen Nutzungen für sich eine Lebensgrundlage schaffen und gleichzeitig den dem Leibgedingsberechtigten geschuldeten Unterhalt zumindest teilweise gewinnen kann. Anlass für diese einengende Auslegung ist für den BGH der Inhalt der aufgrund von Art. 96 EGBGB erlassenen landesrechtlichen Ausführungsvorschriften. Die landesrechtlichen Ausführungsvorschriften erschweren die Möglichkeit der Rückabwicklung des Leibgedingsvertrags bzw. schließen diese teilweise sogar aus. Bei erheblichen Pflichtverletzungen des Übernehmers kann dies unter Umständen zu unbefriedigenden Ergebnissen führen. Nach Ansicht des BGH ist der Ausschluss der Rückabwicklung nur dann zu rechtfertigen, wenn die wirtschaftliche Existenz des Übernehmers zumindest teilweise auf der übergebenen Wirtschaftseinheit basiert. Der BGH ist der Auffassung, dass der Begriff des Altenteilsvertrags iSv Art. 96 EGBGB seine Bedeutung und Ausfüllung – zugleich aber auch seine Verengung- erst durch die Verweisung auf die landesrechtlichen Vorschriften über einen Altenteilsvertrag, der mit der Überlassung eines Grundstücks in Verbindung steht, erhalte.
Die Folge dieser in der Literatur teilweise bestrittenen Einschränkung des Art. 96 EGBGB ist, dass gerade solche Betriebe, die sich am unteren Ende der Gewinnzone bewegen, als Vertragsobjekt eines Leibgedingsvertrags ausscheiden. Damit können nur noch leistungsfähige Unternehmen Gegenstand von Leibgedingsverträgen sein. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise steht diese Einengung des Leibgedingsbegriffs im Widerspruch zu den tatsächlichen Bedürfnissen notleidender Betriebe, da vor allem hier eine liquiditätsschonende Form der Unternehmensnachfolge dringend erforderlich ist.
Auch die Vereinbarung eines Leibgedings anlässlich der Übertragung eines Wohnhauses scheidet bei diesem einengenden Leibgedingsbegriff aus. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH wird eine Grundstücksübertragung noch nicht allein durch Gewährung eines Wohnrechts mit Pflege- und Versorgungsverpflichtung zu einem Leibgedingsvertrag. Die in der Literatur teilweise vorgenommene Interpretation, dass auch die Übergabe eines Wohnhauses letztlich als eine "wenigstens teilweise existenzbegründende Wirtschaftseinheit" angesehen werden kann, ist mit der Rechtsprechung und dem Verständnis des BGH nicht in Einklang zu bringen. Zwar ist das Argument, dass ein Einfamilienhaus heutzutage die Existenz des Erwerbers, insbesondere aufgrund ersparter Miete, ganz erheblich sichert, zutreffend. Leider ist jedoch der BGH dieser Argumentation nicht gefolgt. Denn nach Ansicht des BGH muss es sich bei dem Übergabeobjekt um eine Wirtschaftseinheit handeln, kraft deren Nutzung sich der ...