Nach den gesetzlichen Neuregelungen können Volljährige in einer Patientenverfügung im Voraus festlegen, ob und wie sie später medizinisch behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Bislang war es auch Minderjährigen gestattet, eine Patientenverfügung zu errichten, sofern sie die Tragweite ihrer Verfügungen erkannten. Errichtet künftig ein Volljähriger eine Patientenverfügung, so ist Voraussetzung für die Wirksamkeit derselben, dass sie schriftlich niedergelegt wurde. Der in der Verfügung geäußerte Patientenwille ist oberstes Gebot; Betreuer oder Bevollmächtigte des Patienten müssen für die Durchsetzung der Verfügung sorgen, sofern die Erklärung die tatsächliche Behandlungssituation erfasst. Ein Wille zum Behandlungsabbruch muss regelmäßig durchgesetzt werden, auch dann, wenn die Erkrankung noch keinen tödlich irreversiblen Verlauf genommen hat und eine Heilung des Patienten möglich wäre. Nur dann, wenn sich Arzt und Betreuer/Bevollmächtigter über den Patientenwillen nicht einig sind, muss das Vormundschaftsgericht eingeschaltet werden und folgenschwere Entscheidungen im Sinne des § 1904 BGB genehmigen.
Für das erste Fallbeispiel bedeutet das: Die Ärzte haben Bedenken, ob dem ausdrücklich erklärten Willen von Uwe L. Folge zu leisten ist. Der eilig eingesetzte Betreuer sieht allerdings keine Anhaltspunkte dafür, dass der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille unbeachtlich sein könnte: Schließlich war der zuvor schriftlich niedergelegte Wille exakt auf die konkrete Behandlungssituation zugeschnitten. Das Vormundschaftsgericht genehmigt das Unterbleiben der zur Lebenserhaltung medizinisch notwendigen Maßnahme. Die Ärzte versuchen erfolglos, das Leben von Uwe L. auch ohne Beinamputation zu retten. Kurze Zeit später verstirbt Uwe L. Vor der Niederlegung der Patientenverfügung hatte sich Uwe nicht ärztlich aufklären lassen. So war ihm nicht bewusst, dass nach heutigem medizinischem Stand die Möglichkeit des Tragens entsprechender Prothesen besteht und eine Beinamputation nicht zwangsläufig mehr ein Leben im Rollstuhl bedeutet. Hätte Uwe L. das gewusst und seinen Willen noch äußern können, hätte er sich für eine Amputation und damit für das Leben entschieden.
Die ins Krankenhaus herbeigerufenen Eltern von Natascha entscheiden, dass eine Amputation entgegen dem schriftlich fixierten, aber infolge der Minderjährigkeit unbeachtlichen Willen ihrer Tochter durchgeführt werden soll. Natascha überlebt. Im Gegensatz zu Uwe hatte sich Natascha vor der Errichtung der Patientenverfügung medizinisch beraten lassen und bewusst gegen die medizinische Maßnahme entschieden, weil sie trotz der Möglichkeit des Tragens von Beinprothesen für ihr Leben ohne den Profitanz keinen Sinn gesehen hatte.
Das zweite Fallbeispiel ist wie folgt zu lösen: Die Ärzte legen infolge der eindeutig formulierten Patientenverfügung von Erna F. keine Magensonde, nachdem auch der als Betreuer eingesetzte Sohn zuvor versichert hatte, dass die Nichtdurchführung des medizinischen Eingriffs im Sinne seiner Mutter sei. Erna F. verstirbt und deren Kinder treten ein Millionenerbe an. Das Vormundschaftsgericht wurde infolge des Einvernehmens zwischen Arzt und Betreuer nicht eingeschaltet. Hätte Erna F. den Inhalt der von ihr unterzeichneten Erklärung gekannt und sich ärztlich beraten lassen, hätte sie diese nicht unterschrieben. Ihr Wunsch war es nämlich immer, dass alles medizinisch Mögliche getan würde, um sie am Leben zu erhalten.