Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Der V. Zivilsenat des BGH hatte im Beschluss vom 5.5.1959 ausgesprochen, dass der Vorzug des männlichen Geschlechts bei der gesetzlichen Hoferbfolge mit dem GG vereinbar sei. Dieser Entscheidung lag der Antrag der Klägerin zugrunde, die die Bevorzugung ihres jüngeren Bruders bei der Erbfolge nach § 6 Abs. 1 Satz 3 HöfeO nicht mit Art. 3 Abs. 2 GG vereinbar hielt, sodass der Hof nach dem in ihrem Raum geltenden Ältestenrecht eigentlich ihr hätte zufallen müssen. Dem BGH ging es eindeutig nicht darum, ob eine Differenzierung nach dem Geschlecht überhaupt erfolgen dürfe, sondern stellte er die Frage, ob eine solche Differenzierung gemessen an Sinn und Zweck der Regelung durch die in diesem Zusammenhang vorgebrachten rechtlichen Überlegungen gerechtfertigt sei; dadurch positionierte sich der BGH bei den Befürwortern der weiten Auslegung von Art. 3 Abs. 2 GG. Allgemein anerkanntes Ziel der Gesetzgebung auf dem Gebiet des landwirtschaftlichen Erbrechts und ebenso auf dem Gebiet des Bodenverkehrsrechts war zum Zeitpunkt dieser Entscheidung, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in ihrer Einheit erhalten bleiben und eine übergroße Zersplitterung des Bodens vermieden werden sollten, um die Volksernährung sicherzustellen.
Ebenso war zu diesem Zeitpunkt anerkanntes Ziel, die Bindung der bäuerlichen Familie an den Grund und Boden und an den angestammten Hof zu erhalten. Aus diesen Gründen sahen die Anerbengesetze – wie bereits festgestellt – vor, dass der Hof geschlossen auf einen Erben übergeht, und verwiesen sonstige Erben auf Abfindungsansprüche.
Für die Erbhoffolge enthielt nun die HöfeO für die Länder der ehemaligen britischen Zone ebenso wie die anderen geltenden Anerbengesetze, mit Ausnahme des rheinland-pfälzischen, in § 6 Abs. 1 Satz 3 einen Vorrang des männlichen Geschlechts vor dem weiblichen, sodass in der gleichen Erbenordnung der Mann vor der Frau den Vorzug erhalten musste. Ebenfalls an den rechtlichen Fortbestand des Vorzugs des männlichen Geschlechts war der Vorzug des Vaters gegenüber der Mutter und der männliche Vorzug bei den Geschwistern und deren Abkömmlingen geknüpft.
Das Gericht hatte sich grundlegend damit auseinanderzusetzen, ob die Zurücksetzung der weiblichen Erben geboten sei, um den Sinn und Zweck der Anerbengesetze zu erreichen. Es musste sich folglich die Frage stellen, ob die Unterschiede zwischen den Geschlechtern für diese Zielsetzung relevant seien und ob dieses Ziel so wesentlich sei, dass es bei einer wertenden und vergleichenden Betrachtung vertretbar erschien, seinetwegen den Mann gegenüber der Frau zu bevorzugen. In seiner Begründung schloss sich der Senat den Auffassungen der überwiegenden Rechtsprechung und einem beträchtlichen Teil des Schrifttums zu der Problematik der Zulässigkeit der gesetzlichen Hoferbnachfolge resp. zu § 6 Abs. 1 Satz 3 HöfeO an.
Die Entscheidung stützte sich im Kern auf drei verschiedene Begründungsansätze für den Mannesvorzug.
Zum einen wurde auf die in der Natur der Frau liegenden biologischen und physischen Unterschiede der Geschlechter abgestellt, deretwegen im Hinblick auf die mit der Leitung eines Bauernhofs regelmäßig verbundene schwere körperliche und geistige Arbeit des Mannes erfolge. In diesem Zusammenhang stand die funktionale Arbeitsteilung der Geschlechter, die aufgrund der Natur des Lebensverhältnisses – des Bauernhofs als Wirtschaftseinheit – besonders ausgeprägt sei.
Zum anderen wurde auf die auf dem Lande im Vergleich zum städtischen Lebensraum andere soziologische Struktur verwiesen, aufgrund derer insbesondere mit Rücksicht auf die alte Tradition der Vorrang des Mannes gerechtfertigt sei.
Ferner sei der Mannesvorzug zur Erhaltung der Höfe als Wirtschaftseinheit und ihrer Bewahrung in der Familie unentbehrlich.
Anhand einer ausgewählten Dokumentation von einzelnen in Rechtsprechung und Schrifttum erfolgten Äußerungen, auf die sich der BGH stützte, soll im Detail aufgezeigt werden, welche Vorstellungen über die Natur der Geschlechter und die daraus resultierenden Unterschiede die Diskussion über die Erbfolge prägten, und zum andern sollen die kritischen Meinungen in der Literatur und vereinzelt in der Rechtsprechung erste Aufschlüsse für die spätere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.3.1963 liefern.