Prof. Dr. Dr. Thomas Gergen
Eine Ungleichbehandlung der Geschlechter aufgrund einer Differenzierung nach biologischen, physischen, psychischen, soziologischen Unterschieden begegnet uns jedoch nicht nur in der juristischen Auseinandersetzung im bäuerlichen Erbrecht. Vielmehr bildeten bestimmte Vorstellungen über die Natur der Geschlechter die Grundlage für eine Reihe von Entscheidungen in anderen Rechtsfragen in den 1950er-Jahren. So geschehen in der Gewährung des Hausarbeitstages für die Frau, ebenso in der Frage, ob die Gewährung des Kranzgeldes nach § 1300 BGB mit Artikel 3, Abs. 2 GG vereinbar sei. Des Weiteren hinsichtlich der unterschiedlichen Voraussetzungen für den Rentenanspruch der Witwe und des Witwers, für die Verpflichtung der Ehefrau gem. § 1355 BGB, den Namen des Mannes als Familiennamen zu führen, für die Sonderstrafbestimmungen der §§ 175, 175 a StGB, und für die Heranziehung der Frau zum Wehrdienst. Im Nachfolgenden sei lediglich das Augenmerk auf die Ausführungen über die Natur der Geschlechter gelegt.
a) Das Hausarbeitstagsgesetz
Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Hausarbeitstages für die arbeitende Frau beschlossen, dass dieses nicht gegen den Gleichberechtigungssatz von Mann und Frau verstoße, wenn der berufstätigen Frau ein freier Tag im Monat für die Haushaltsführung zugestanden werde. Dazu führte das Gericht aus, dass zu den "Unterschiedlichkeiten der Lebensumstände" nicht nur eine "arbeitsteilige funktionale Sonderstellung der Frau" gehöre, sondern die "Rolle" schlechthin, die der Frau im Haushalt "typischerweise" zufiele. Weiter heißt es, dass es für die Frau typisch sei, bei eigenem Hausstand in ihm "selbst tätig zu sein". Dagegen sei für Männer "grundsätzlich" und "typisch" das Gegenteil der Fall. Es könne zudem nicht eingewendet werden, dass die Frau sich wie der Junggeselle einer Hilfskraft bedienen müsse. Denn dann würde man von der Frau "etwas völlig Untypisches, Unübliches und ein mit den geltenden Grundsätzen der Arbeitsteilung der Geschlechter nicht in Einklang stehendes und daher nicht zumutbares Verhalten fordern".
b) Straftatbestimmungen der §§ 175, 175 a StGB
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 10.5.1957 beschlossen, dass die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität nicht gegen Art. 3 Abs. 2, 3 GG verstoßen, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entschieden prägte, dass etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktraten. Das Gericht führte dazu aus, dass bei der Sexualität zwei Aspekte unterschieden werden müssten: Zum einen das unbewusste Funktionieren des Körpers im Zusammenhang mit der Geschlechtlichkeit und zum anderen ein davon geprägter sozialer Aspekt. Die körperliche Bildung der Geschlechtsorgane weise für den Mann auf eine mehr "drängende und fordernde", für die Frau auf eine mehr "hinnehmende" und "zur Hingabe bereite Funktion hin. Dieser Unterschied der "physiologischen Funktionen" lasse sich aus dem Zusammenhang des "geschlechtlichen Seins" nicht ausgliedern, sondern sei "mit konstituierend für Mann und Frau als Geschlechtswesen". "
Das Vatersein zeichne sich durch einen "kurzen Zeugungsvorgang" und durch zeitlich davon getrennte soziale Leistungen aus. Dagegen seien die sozialen Leistungen des Mutterseins durch einen lang andauernden natürlichen Prozess der Empfängnis, Geburt und des Stillens verknüpft. Diese "Unterschiede des natürlichen" werden im sozialen Aspekt sichtbar, indem homosexuelle Männer "familienhafte Bindungen" ablehnen und zu "ständigem Partnerwechsel" neigen, sodass die Gefahr der Verbreitung der Homosexualität beim Manne weit größer sei als bei der Frau und somit die Strafbarkeit rechtfertige.
3.5.3 c)
Gewährung des Kranzgeldes § 1300 BGB
Nach § 1300 BGB stand der Verlobten im Falle eines Rücktritts des Bräutigams vom Gelöbnis ein Schadensersatzanspruch zu, wenn sie durch ihn bereits ihre Jungfräulichkeit verloren hatte. Bei der Erörterung der Frage, ob § 1300 BGB eine Bevorzugung der Frau vor dem Mann enthalte und deshalb mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar sei, wurde darauf hingewiesen, dass die Vorschrift ihren Grund in der "körperlichen Beschaffenheit" und der "seelischen Wesensart der Frau" habe, die sie gegenüber Beeinträchtigungen ihrer "geschlechtlichen Unversehrtheit" besonders schutzbedürftig mache. So habe die "voreheliche Beiwohnung" gerade nur für die Frau schwe...