Leitsatz
Schließen künftige gesetzliche Erben einen sogenannten Erbschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 5 BGB (früher § 312 Abs. 2 BGB), d. h. einen Vertrag über den gesetzlichen Erbteil oder einen Pflichtteil eines künftigen gesetzlichen Erben, bei dem der eine gegenüber dem anderen im Hinblick auf den Nachlass eines noch lebenden Dritten auf etwaige künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche verzichtet, stellt die Abfindung eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.
FG Münster, Urteil vom 17. Februar 2011 – 3 K 4815/08
Sachverhalt
Der Kläger und seine drei Brüder schlossen am 14.2.2006 einen Erbschaftsvertrag. Darin verzichtete der Kläger für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche. Seine drei Brüder verpflichteten sich, an ihn zum Ausgleich seines Verzichts auf die Geltendmachung seiner Pflichtteilsansprüche je 150.000 EUR zu zahlen. Die Parteien waren sich darüber einig, dass dieser Vertrag auch dann Bestand haben solle und die gezahlten Abfindungen nicht zurückzugewähren seien, wenn der Kläger nach dem Tode seiner Mutter nicht Erbe wird und keinen Pflichtteilsanspruch erwirbt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erbschaftsvertrag vom 14.2.2006 (UR-Nr. B 136/2006 der Notarin U in A) Bezug genommen.
Da der Vater des Klägers und seiner Brüder vorverstorben war, betreffen die Vereinbarungen lediglich die Erbfolge nach ihrer Mutter. Der Kläger gab drei Schenkungsteuererklärungen ab, in denen er angab, dass ihm von jedem seiner drei Brüder 150.000 EUR zugewendet worden sind.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Abfindungszahlungen an den Kläger als (fiktiver) Erwerb nach seiner Mutter zu versteuern seien. Da sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtenden) zum künftigen Erblasser richte (vgl. Bundesfinanzhof (BFH) vom 25.1.2001 II R 22/98, BStBl II 2001, 456), sei auch der Freibetrag nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers zum künftigen Erblasser zu berücksichtigen. Dies habe zur Folge, dass die drei Schenkungen zusammen zu einer Schenkung zusammengefasst würden und als fiktive Schenkung der Mutter des Klägers anzusehen sei. Folgerichtig sei auch die Vorschenkung der Mutter aus dem Jahr 2002 an den Kläger nach § 14 ErbStG zu berücksichtigen.
Der Beklagte ermittelte den Wert des Erwerbs danach mit 448.440 EUR (450.000 EUR abzüglich Steuerberatungskosten in Höhe von 1.131 EUR und Rechtsanwaltskosten in Höhe von 429 EUR) zzgl. Vorschenkungen in Höhe von 1.056.232 EUR, sodass der Wert des Erwerbs abzüglich des Freibetrags von 205.000 EUR 1.299.600 EUR betrug. Der Beklagte setzte die Schenkungsteuer unter Berücksichtigung des Anrechnungsbetrags für die Vorschenkungen (161.728 EUR) auf 85.196 EUR fest. Überschrieben ist der Bescheid mit "Schenkungsteuerbescheid (Berechnungsbogen) über den Erwerb des Herrn R 1 aus der Schenkung der Frau R 2 in A-Straße 1 N vom 14.2.2006". Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Beklagten vom 21.8.2007 und den Schenkungsteuerbescheid vom 11.9.2007 Bezug genommen.
Der Kläger legte Einspruch ein. Der Kläger habe die Zuwendung nicht von seiner Mutter, sondern von seinen drei Brüdern erhalten. Seine Mutter sei an dem notariellen Vertrag gar nicht beteiligt gewesen. Eine Schenkung von seiner Mutter scheide deswegen aus. Fiktive Schenkungen kenne das deutsche Schenkungsteuerrecht nicht. Eine Zusammenrechnung der Vorschenkung scheide aus, da es sich nicht um Schenkungen durch die gleiche Person handele.
Der Beklagte wies den Einspruch als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 3.12.2008 Bezug genommen.
Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Es handele sich um Schenkungen der Brüder an den Kläger, bei denen die Schenkungsteuer nach der Steuerklasse I festzusetzen sei. Eine Schenkung der Mutter liege nach den in dem Urteil des BFH vom 25.1.2001 genannten Grundsätzen nicht vor. Deswegen seien auch die Vorschenkungen nicht zu berücksichtigen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Unrecht einen Erwerb des Klägers aus einer Schenkung seiner Mutter angenommen.
Schließen künftige gesetzliche Erben einen sogenannten Erbschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 5 BGB (früher § 312 Abs. 2 BGB), d. h. einen Vertrag über den gesetzlichen Erbteil oder einen Pflichtteil eines künftigen gesetzlichen Erben, bei dem der eine gegenüber dem anderen im Hinblick auf den Nachlass eines noch lebenden Dritten auf etwaige künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche verzichtet, stellt die Abfindung eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (vgl. BFH, Urteil vom 25.1.2001 II R 22/98, BStBl II 2001, 456; ebenso Viskorf, Das Unternehmertest...