Abele, Klinger und Maulbetsch
Verlag CH-Beck, 230 Seiten, 49,– EUR
Die drei Autoren Abele, Klinger und Maulbetsch, allesamt Fachanwälte für Erbrecht, haben ein Werk zu einem Thema vorgelegt, das immer aktuell ist: Pflichtteilsansprüche reduzieren und vermeiden. Den Interessen der potenziell Verpflichteten, seien es Erben oder Beschenkte, stehen gegenläufig diejenigen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber; dementsprechend wird der Anwalt als Interessenvertreter argumentieren. Nach dem Vorwort der Autoren richtet sich das Handbuch vorrangig an den Praktiker. Es gibt viel Licht, aber auch Schatten.
Lesenswert ist § 1 zur regelmäßigen Motivlage sowie zur Reform des Pflichtteilsrechts zum 1.1.2010. Zu Recht wird auch auf die Nicht-Reform des § 2315 BGB hingewiesen, der als "Geschenk" an die beschenkten Pflichtteilsberechtigten aufrechterhalten bleibt. Der Praktiker kennt die ungläubigen Gesichter, die mit der Nachfrage nach der (auch noch zu beweisenden!) Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil verbunden sind. Die häufige Lösung des Problems mit der "Flucht in die Pflichtteilsergänzung" und dem Unterschlupf unter den für die Schenker ungleich gnädigeren § 2327 BGB findet sich dann auf S. 49 und S. 118. Gelungen ist auch die Darstellung des ungemein wichtigen Fristlaufs nach § 2325 Abs. 3 BGB und der Bewertung des Geschenks (S. 32 ff) sowie die mit der Ausstattung verbundenen Möglichkeiten (S. 78) und die gesellschaftsvertraglichen Gestaltungen (S. 87 ff). Berechtigt ist der Hinweis (S. 85), dass einseitige Einzahlungen etwa auf ein Oder-Konto ergänzungsrelevant sein können. Viele nützliche Anregungen können auch dem Kapitel zur Reduzierung des pflichtteilsrelevanten Nachlasses durch erbrechtliche Gestaltungen entnommen werden, das zudem etliche Musterformulierungen enthält (S. 132 ff). Der Hinweis auf S. 161 auf die einkommensteuerlichen Folgen einer klassischen Jastrow´schen Klausel mit auf den Tod des Überlebenden vorgesehener zinsloser Stundung ist absolut angebracht und dem (ertrag-)steuerlich vielleicht eher unerfahrenen Gestalter sehr hilfreich, zumal das Paradoxon der Kapitaleinkünfte aus zinsloser Stundung (krit. Wohlschlegel, ZEV 1997, 86) sämtliche Vorbehalte gegen das komplizierte deutsche Steuerrecht bestätigt. Die Autoren legen nachvollziehbar dar, weshalb sie mit der wohl hM von der Zulässigkeit der sog. Socinischen Klausel nach der Reform des § 2306 Abs. 1 BGB ausgehen (S. 166).
Unschön sind Nachlässigkeiten redaktioneller Art (z. B. Meinke statt Meincke auf S. XV, zweimal § 2057a Abs. 1 Satz 2 BGB aF auf S. 8, Zugewinnverzicht statt Zuwendungsverzicht auf S. 18, auf S. 62: die Finanzverwaltung hat sich dem Urteil des FG Düsseldorf zur zulässigen Rückwirkung der Zugewinngemeinschaftsvereinbarung im Rahmen der güterrechtlichen Lösung des § 5 Abs. 2 ErbStG längst angeschlossen, z. B. Erlass BayLfSt v. 5.10.2006, ZEV 2007, 48). Ärgerlich sind Fehler: Es ist falsch, dass nach hM im Rahmen von § 2316 BGB der erweiterte Erblasserbegriff des § 2052 BGB gelte (S. 23), was erst jüngst das OLG Koblenz (ZEV 2010, 473 m. Anm. Keim; Ruby/Schindler, ZEV 2010, 547) entschieden hat. Warum man das Grundsatzurteil des BGH (ZEV 2010, 302 m. abl. Anm. Wall) zu Lebensversicherungen als "äußerst pflichtteilsfreundlich" charakterisieren muss (S. 30), erschließt sich dem Rezensenten nicht: bei einer reinen Risikolebensversicherung mit einer Auszahlung von 1 Mio. Euro wird trotz auch vom BGH im Valutaverhältnis anerkannter Schenkung in dieser Höhe ein Ergänzungsanspruch von null Euro generiert, weil eine solche Versicherung in der letzten Sekunde des Erblassers eben keinen Wert hatte (vgl. J. Mayer, DNotZ 2011, 89, 97)! Der fehlende Schenkungscharakter abfindungsloser lebzeitiger wechselseitiger Pflichtteilsverzichte von Ehegatten (S. 133) ergibt sich unabhängig von einem aleatorischen Charakter aus der Wertung des § 517 BGB (vgl. Wimmer-Leonhardt, in: Staudinger, BGB, § 517 Rn 6).
Gewünscht hätte sich der Rezensent von den Autoren weiterführende Hinweise auf noch nicht ausgetretenen Pfaden: 1. Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich aus dem Urteil des BGH (ZEV 2009, 77) zum verneinten Schenkungscharakter einer Erbverzichtsabfindung, insb. bei einem bloßen Pflichtteilsverzicht? Das LG Paderborn (U. v. 3.9.2010, 2 O 53/10; n. rkr.; Berufung beim OLG Hamm durch Vergleich erledigt) hat dem beispielsweise entgegen der wohl hM. Entgeltcharakter zugesprochen. Hier findet sich auf S. 19 wenig. 2. Ist die sog. nachträgliche Entgeltlichkeit, etwa bei Pflegeleistungen und Verwendungen, die die Autoren m.E. zu Recht aber ohne jede Diskussion (vgl. Krauß, Überlassungsverträge in der Praxis, 2. Aufl. 2010, Rn 48; krit. z. B. G. Müller, HB Pflichtteilsrecht, 2010, § 11 Rn 31 ff) bejahen (S. 24, 41), überall bedenkenlos einsetzbar (Sozialrecht, Einkommen- und Schenkungsteuerrecht)? 3. In welchem Umfang sind Zuwendungen an den Ehegatten zur Unterhalts- oder Alterssicherung ergänzungssicher? Die konstatierte erhebliche Rechtsunsicherheit...